Der digitale Staat: Intuitiv nutzbar, einfach und barrierefrei?

Im Rahmen des Workshops zum KERN UX-Standard, der von Robin Pfaff (Staatskanzlei Schleswig-Holstein), Sinan Akkurt (Possible), Gerrit Hoffschulte (//* Alle Wetter GbR) und Mona Opderbeck (Dataport) geleitet wurde, wurde die Vision eines einfachen, intuitiven und für alle nutzbaren digitalen Staates in den Mittelpunkt gerückt. Die Teilnehmer:innen konnten dabei hautnah die Bedeutung einer positiven Benutzererfahrung erleben und zwei digitale Verwaltungsdienstleistungen gemeinsam verbessern.  

Einführung in die Problematik UX-Standard 

„In Deutschland gleichen Verwaltungsportale Kraut und Rüben. Mal ist der Login links oben, mal rechts unterhalb der Kopfzeile. Designs sind nicht ähnlich, jedes Bundesland hat sich künstlerisch selbst verwirklicht.“ (Matthias Punz, Süddeutsche, 10.11.2023) 

Mit diesem Zitat begann der Workshop, um in die Problematik der digitalen Verwaltungslandschaft einzuführen. In Deutschland gibt es bislang keinen einheitlichen Standard für digitale staatliche Services, was zu einer Vielzahl an individuellen Lösungen bei IT-Dienstleistern sowie auf Kommunal- und Bundesebene führt. Diese Fragmentierung beeinträchtigt das Vertrauen der Bürger:innen in die Verwaltung und die Handlungsfähigkeit des Staates. Um eine bürgerzentrierte Gestaltung und effiziente Arbeitsprozesse zu ermöglichen, ist es deshalb notwendig, User Experience Design (UX-Design) als grundlegendes Element in der Verwaltung stärker zu etablieren. 

Dreiteiliger Workshopaufbau 

Der Workshop gliederte sich in drei Teile: 

1. Auf eine Reise zum “UX-Bewusstsein“: In Kleingruppen wurden zwei verschiedene Onlinedienste auf ihre Nutzerfreundlichkeit getestet. Anhand des Antrags auf Feststellung des Schwerbehindertengrades und der Beantragung einer Geburtsurkunde konnten die Teilnehmer:innen selbst erleben, wie überladene Oberflächen und verwirrende Anweisungen die Nutzung erschweren können und wo es an responsiven Designs mangelt. Die Gruppenarbeit verdeutlichte anschaulich, wie entscheidend es ist, die Erwartungen und Bedürfnisse der Nutzer:innen in solchen Services mitzudenken.  

Ausschnitt des Online-Whiteboards. In der Bildmitte befindet sich ein Screenshot einer Webapp der Menüführung des Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg in den Maßen eines Smartphones. 
Um den Screenshot finden sich verschiedene Anmerkungen von Workshopteilnehmenden in Form von gelben Klebezetteln. 
Unter anderem: "Logo nimmt viel zu viel Platz ein", "Verwirrend, zwei mal Burger Menü", "Antrag taucht in der Navigation gar nicht auf" oder auch "Seite insgesamt schwer zu scrollen - befindet man sich im Menü, wir immer das gescrollt".
Abbildung 1: Anmerkungen der Teilnehmer:innen aus den Nutzendentests zur Beantragung einer Geburtsurkunde

2. Der KERN UX-Standard: Im zweiten Teil des Workshops wurde der KERN UX-Standard präsentiert. Der KERN UX-Standard ist ein technologieunabhängiges Open-Source-Design-System, das von der Staatskanzlei Schleswig-Holstein in Kooperation mit der Freien und Hansestadt Hamburg entwickelt wurde. Der Standard stellt einen Baukasten aus wiederverwendbaren Komponenten sowie klare Gestaltungsvorgaben für die deutsche Verwaltung bereit. So sollen Umsetzende dabei unterstützt werden, gute digitale Lösungen zu entwickeln. Ziel ist es, die Gestaltung barrierefreier, transparenter und intuitiv nutzbarer digitaler Dienstleistungen zu erleichtern.  

    Übersicht des Prinzips "Atomic-Design" des KERN Design-Systems mit fünf Ausprägungen. Von links nach rechts: (1) Protonen: z. B. Wahl der Farbe und Schriftart, (2) Atome: Buttons und Text, (3) Molekül: Verbindung von Button und Text, in diesem Fall Button zur Anmeldung, (4) Organismus: Verbindung von Molekülen, z. B. Anmeldemaske mit E-Mail- und Passwortfeld sowie Anmeldebutton und zuletzt (5) Template.
    Abbildung 2: „Atomic-Design“ im KERN Design-System: von der Auswahl von Farbe und Schrift bis zu Templates für ganze Seiten

    3. Entwicklung eines Prototyps: Im letzten Teil des Workshops arbeiteten die Teilnehmer:innen gemeinsam mit den Referent:innen daran, Prototypen unter Verwendung der KERN-Komponenten in Figma zu erstellen. Es ging darum, die Stolpersteine aus den vorher getesteten digitalen Verwaltungsdienstleistungen zu beseitigen und konkrete Lösungen zur Verbesserung der Benutzeroberfläche gemeinsam zu erarbeiten. Trotz der begrenzten Zeit während des Workshops konnten viele kreative Ideen zur Verbesserung der Seiten entwickelt werden und mit Hilfe der KERN-Komponenten erste Prototypen entstehen.  

    Fazit des Workshops 

    Der Workshop hat eindrucksvoll gezeigt, wie wichtig nutzerzentriertes Design für die digitale Transformation der Verwaltung ist. Der KERN UX-Standard bietet dabei einen vielversprechenden Ansatz zur Schaffung eines digitalen Staates, der für alle Bürger:innen zugänglich und nutzbar ist.  


    Beitragsbild von Max Shturma auf Unsplash