Netzwerke vernetzen für die digitale Transformation der Verwaltung

„Im Verwaltungsbereich ist es fast schon überlebenswichtig, auch mal rauszukommen und sich inspirieren zu lassen – vor allem, wenn man Transformation macht, wo man gerade noch am Anfang steht.“ So wurde die Bedeutung der Vernetzung von einer Teilnehmerin an der neuen NExT-Studie „Erfolgsfaktor Community of Practice in der öffentlichen Hand“ hervorgehoben. Dies erklärte Theresa Amberger, Projektmanagerin bei NExT e. V., zu Beginn des PIAZZA-Workshops „Netzwerke vernetzen für die digitale Transformation der Verwaltung“, der von NExT in Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum Öffentliche IT (ÖFIT) organisiert wurde.   

Laut der NExT-Studie halten 92 % der über 500 Befragten Netzwerke für wichtig in ihrer Arbeit. Dennoch bleibt die Herausforderung bestehen, sich von veralteten Strukturen zu lösen. Netzwerke bieten vielfältige Vorteile, darunter Wissens- und Erfahrungsaustausch, die Vermeidung von Doppelarbeit, ein Gefühl von Motivation und Gemeinschaft, die Möglichkeit, politischen Einfluss zu nehmen sowie die Chance der persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung. Gleichzeitig gibt es jedoch Hindernisse, die das Netzwerken erschweren. Die drei wesentlichsten Faktoren sind persönliche Aspekte, die Beschaffenheit der Netzwerke bzw. Communities sowie die Rahmenbedingungen im jeweiligen Arbeitsumfeld. Besonders deutlich wird eine Kluft zwischen der Wahrnehmung von Führungskräften und Mitarbeitenden in Bezug auf die aktive Förderung, das „Vorleben“ der Vernetzung und die Bereitstellung von Ressourcen.  

NExT-Studie: Ergebnisse (Online-Umfrage). Überschrift: 92 Prozent der Befragten finden Netzwerke(n) sehr oder eher wichtig für ihre Arbeit. In der Mitte findet sich ein Balkendiagramm zur Frage "Wie wichtig findest du Netzwerkaktivitäten für dich und deine aktuelle Arbeit?" (N=510): 296 sehr wichtig, 174 eher wichtig, 23 neutral, 11 eher unwichtig, 6 sehr unwichtig.
Abbildung 1: Auszug der NExT-Studienergebnisse zur Wichtigkeit des Netzwerkens für die eigene Arbeit. Quelle: NExT e.V.

Netzwerk-Mapping: Offenheit und Umsetzungsfokussierung 

Im Rahmen eines kollaborativen Mapping-Prozesses sammelten die Teilnehmer:innen Netzwerke, die sie im Kontext der Verwaltungsdigitalisierung kennen, und kategorisierten diese anhand zweier Merkmale: Netzwerk-Offenheit und Umsetzungsfokussierung (siehe Tabelle 1). Der Begriff „Netzwerk-Offenheit“ beschreibt, ob ein Netzwerk ausschließlich verwaltungsintern, für ausgewählte Partner (wie Zivilgesellschaft, Wissenschaft oder Wirtschaft) oder für alle offen ist. „Umsetzungsfokussierung“ hingegen bezieht sich auf den Zweck des Netzwerks: Eine starke Umsetzungsfokussierung bedeutet, dass das Netzwerk primär auf die gemeinschaftliche Entwicklung von Produkten oder Lösungen abzielt. Netzwerke mit geringer Umsetzungsfokussierung fördern eher persönliche oder organisationale Vernetzung.  

Das Mapping zeigt, dass nur wenige Netzwerke in der öffentlichen Verwaltung als stark umsetzungsfokussiert wahrgenommen werden. Ab einer bestimmten Netzwerkgröße wird es zunehmend herausfordernd, den Fokus auf die Umsetzung beizubehalten. Während die Umsetzungsfokussierung für Außenstehende teilweise schwierig zu bestimmen war und gegebenenfalls eher subjektive Wahrnehmungen reproduziert, wurde im Zuge der Diskussion hinterfragt, ob die Netzwerkarbeit überhaupt konkrete Ergebnisse hervorbringen muss. Einerseits besteht Druck seitens der Führungsebene sowie der Politik, den investierten Zeitaufwand durch sichtbare Ergebnisse zu rechtfertigen. Andererseits lässt sich der Output eines Netzwerks aber oft sehr schwer steuern. In manchen Situationen kann es gewinnbringender sein, den Teilnehmenden lediglich einen Rahmen für Austausch und Zusammenarbeit zu bieten. Dabei wurde auch angemerkt, dass der Wissenstransfer in vielen Fällen weniger geschätzt wird als konkrete Ergebnisse. Schließlich ist es wichtig, den Teilnehmenden klar zu kommunizieren, was der Zweck des Netzwerks ist, um ihre Erwartungen realistisch zu steuern.  

Netzwerkoffenheit →
Umsetzungsorientierung ↓
verwaltungsinternes NetzwerkVerwaltungsnetzwerk, offen für ausgewählte Partner aus Wirtschaft, Zivilgesellschaftoffen für alle
starkGovTech Campus, KERN Community, Open CoDE2, Work4Germany des DigitalService.Co:Lab, Open Knowledge Foundation.
mittelDeutscher Städtetag, Re:Form.Agora Digitale Transformation, International Design in
Government, NEGZ.
Chaos Communication Congress1, Chaos Computer Club, FrOSCon1, PIAZZA-Konferenz1, Staat-Up.
wenigEURITAS, EZPWD, Forum Agile Verwaltung, Nachwuchskreis (BMDV), net.work NRW, „Forum Agil in die Zukunft“ (Netzwerk Agile Verwaltung), NExT, Only-Only-Netzwerk, RUDI – Ruhr Digital, Verwaltungsrebellen.Digitalgipfel der Bundesregierung1, GovLabTen
GovTech Netzwerk Saarland, GovTech Connect, Public Sector Tech Watch, Public Service Lab.
Agile Community, Demokratie21.at, European Digital Innovation Hubs, GovTech Gipfel Handelsblatt1, Initiative D21, Gesellschaft für Informatik
(insb. FB RVI), Open-Data-Netzwerktreffen, Querwechsler-Netzwerk, SCCON1.
Tabelle 1: Mapping von Verwaltungsnetzwerken mitsamt (1) temporären Netzwerkformaten/ Veranstaltungen und (2) Plattformen.

Teil I: Herausforderungen und Rahmenbedingungen für die Vernetzung 

Im Anschluss wurden die drei eingangs genannten Herausforderungen für das Netzwerken –Persönlichkeit, Beschaffenheit der Netzwerke und Rahmenbedingungen beim Arbeitgeber – in Kleingruppen vertieft. Dabei lag der Fokus auf der Frage, wie diese Faktoren die Netzwerkarbeit konkret beeinflussen. 

Persönlichkeit

Persönliche Faktoren spielen eine wesentliche Rolle im Netzwerkverhalten, wobei sie oft in Wechselwirkung mit externen Rahmenbedingungen stehen. Die Annahme, dass introvertierten Personen die Vernetzung oft schwerer fällt, trifft nicht immer zu: Introvertiert bedeutet nicht unmotiviert. Wichtig ist die intrinsische Motivation, die auch gesät werden kann und häufig zu proaktivem Engagement führt. Netzwerken ist eine erlernbare Fähigkeit, bei der positive Erfahrungen Hemmschwellen abbauen können.  

Ein weiterer Aspekt, der die persönliche Vernetzung maßgeblich beeinflusst, ist (mangelnde) zeitliche Kapazitäten. Zusätzlich spielt die Risikoaffinität eine Rolle, etwa wenn Mitarbeitende sich trotz fehlender expliziter Unterstützung durch die Führungskraft vernetzen. Immer weniger Personen durchlaufen eine rein „klassische“ Verwaltungslaufbahn, sondern bringen Erfahrungen aus anderen Sektoren ein. Diese Multiperspektivität kann das Netzwerken bereichern. Hemmend wirken dagegen Sorgen um Compliance, die die Offenheit der Teilnehmenden beschränken können.  

Beschaffenheit der Netzwerke:  

Die Erfahrungen der Workshop-Teilnehmenden zeigten, dass ein etwas lockeres Commitment förderlich für das Netzwerken sein kann. Je umsetzungsorientierter das Netzwerk ist, desto fester sollte die Bindung sein, insbesondere, wenn eine enge Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Personen erforderlich ist. Entscheidend ist eine klare Kommunikation darüber, welches Commitment erwartet wird, abhängig von den Zielen und Zwecken des Netzwerks. Der Zugang sollte jedoch möglichst niedrigschwellig gestaltet sein, um Hemmschwellen für potenzielle Mitglieder zu minimieren. Um Menschen dazu zu motivieren, einem Netzwerk beizutreten oder aktiv mitzuwirken, sollten die behandelten Themen relevant und ansprechsprechend sein. Auch der Mehrwert des Netzwerks sowie mögliche Synergieeffekte müssen klar erkennbar sein. Die Moderation spielt eine wichtige Rolle, etwa um die Stärken der einzelnen Personen hervorzuheben und zu nutzen.  

Rahmenbedingungen beim Arbeitgeber:  

Es wurden verschiedene hinderliche Faktoren identifiziert, wie Zeitmangel (gerade unter Berücksichtigung des Fachkräftemangels), der Netzwerktätigkeiten unter einen Rechtfertigungsdruck stellt sowie damit verbundenes fehlendes Verständnis über den Nutzen des Netzwerkens. Oft herrscht die Idee, dass wer „wirklich“ arbeitet, keine Zeit für Vernetzung hat. Diese Haltung stammt teils aus einer Angst vor Machtverlust. Zugleich gibt es einige förderliche Faktoren, wie etwa eine Arbeitskultur, die den Austausch und das Teilen von Wissen unterstützt. Besonders hilfreich ist, wenn diese Offenheit von der Führungsebene vorgelebt wird. Zudem wird man zur Vernetzung motiviert, wenn man innerhalb der Organisation keine Kolleg:innen hat, die im gleichen Themenbereich arbeiten – dies kann die Notwendigkeit zur externen Kooperation erhöhen. 

Teil II: Umsetzung der Rahmenbedingungen 

In der zweiten Diskussionsrunde wurde thematisiert, wie gute Rahmenbedingungen für die Netzwerkarbeit geschaffen werden können. Dabei ging es insbesondere um die Frage, wie eine förderliche Zusammenarbeitskultur etabliert werden kann, die durch gemeinsame Ziele, flache Hierarchien, Austausch auf Augenhöhe und eine offene Haltung der Mitglieder geprägt ist. Zudem wurde erörtert, wie diese Kultur die gemeinsame Erarbeitung von Ergebnissen (wie Produkten, Lösungen oder Wissen) unterstützen kann.  

Zusammenarbeitskultur:

Die Kommunikation auf Augenhöhe ist hierbei ein zentraler Aspekt. Ein gemeinsames Leitbild, mit dem sich alle Mitglieder identifizieren können, sollte angestrebt werden. Wichtig ist auch, dass die Teilnehmenden direkt miteinander in Kontakt treten – etwa durch Speed-Dating und andere partizipative Formate und Treffen. Es gilt, die Eigenverantwortung der Mitglieder zu stärken: Sie sollen etwa selbst bestimmen können, welche Themen besprochen werden. Dabei ist es notwendig, die Teilnehmenden immer wieder zu motivieren und gleichzeitig auf ihre Eigeninitiative zu vertrauen („Wenn nichts von euch kommt, passiert hier nichts“). Eine begleitende Gruppe von Netzwerk-Mitgliedern kann dabei helfen, Resonanz zu erzeugen und das Netzwerk kontinuierlich weiterzuentwickeln. Neben Text ist es ebenfalls wichtig, Inhalte visuell zu vermitteln, um eine breitere Verständlichkeit und eine größere Attraktivität zu schaffen.  

Outputorientierung

Jedes Netzwerk ist durch eine gemeinsame Vision getrieben, weshalb eine solide Vertrauensbasis unerlässlich ist. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist die diverse Zusammensetzung des Netzwerks, beispielsweise im Hinblick auf Geschlechterbalance. Diese Vielfalt schafft nicht nur eine sichere Umgebung für den Austausch, sondern stärkt auch die Identifikation mit den Themen. Je stärker der Fokus auf Output liegt, desto wichtiger ist es, eine starke Vertrauensbasis aufrechtzuerhalten. Um die Hürde des Zeitaufwands zu überwinden, muss ein gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis gegeben sein, um das Prinzip des Gebens und Nehmens zu gewährleisten.  

Abschließend wurde die Relevanz dieser Rahmenbedingungen in den unterschiedlichen Netzwerkphasen berücksichtigt. Zu Beginn sollte es klar definierte Verantwortlichkeiten, Ownership und Sichtbarkeit geben. Dafür ist die Kommunikation nach außen insbesondere in der Aufbauphase von großer Bedeutung: In dieser Zeit sollten alle Kanäle genutzt, Multiplikator:innen aktiviert und einen Verteiler aufgebaut werden. Andere Netzwerke können als Vorbilder dienen. Viele weitere Strukturen entwickeln sich im Laufe der Zeit von selbst. Der Wille, Ergebnisse zu erzielen, wächst mit der Erfahrung und den ersten Erfolgen. In den verschiedenen Phasen des Netzwerks kristallisieren sich Personen heraus, die sich proaktiv engagieren, und bestimmte Tools und Arbeitsweisen etablieren sich. Es sollte auch jederzeit möglich sein, sich aus dem Netzwerk zurückzuziehen. Die Workshop-Teilnehmenden, die selbst Erfahrungen aus Netzwerken in unterschiedlichen Phasen mitbrachten, debattierten zum Abschluss noch die Frage, wie eine gemeinsame Strategie für ein neu etabliertes Netzwerk kommuniziert werden soll und teilten hierzu einige Ideen miteinander (siehe Tabelle 2, ergänzt durch Vorschläge, die aus einer Befragung der Teilnehmenden im Vorfeld des Workshops stammen). 

TechnischMethodischWie baue ich ein Netzwerk auf?
  • Videokonferenztools (wenn alle sichtbar sind),
  • Online-Whiteboard (z.B. Conceptboard) für Online-Formate,
  • ein niederschwelliger n:n-Kommunikationskanal (alle können mit allen Kontakt aufnehmen) als Brücke zwischen Treffen (Mailingliste, Messenger-Gruppe oder Vernetzungsplattform),
  • Mitgliederliste / -profile, über die man sehen kann, wer sonst noch dabei ist und passende Ansprechpersonen finden kann,
  • Messenger, Chatgruppen,
  • Newsletter, (E-Mail-)Verteiler,
  • Tools zum kollaborativen Schreiben,
  • Social Media Plattformen (z. B. LinkedIn),
  • Terminabstimmungstools (z. B. Doodle).
  • Offene Vernetzungsformate (Barcamp o.ä.), die Selbstorganisation und Eigeninitiative im Netzwerk fördern, (selbst-)moderierte Themen-Gruppen / Communities of Practice,
  • Präsenztreffen – kreative, motivierende Tagung mit nützlichen Inhalten und „gemeinsam die Köpfe zusammenstecken“,
  • Lernzirkel-Formate, um sich in kleinen Gruppen gegenseitig dabei zu unterstützen, an einem Ziel dranzubleiben (z.B. WOL, LernOS, ALEx),
  • niederschwellige Impuls+Austausch-Formate zu Schwerpunktthemen – idealerweise selbstorganisiert (s. z.B. KIWI),
  • offene Slots bei Kongressen.
Kommunikationskanäle sind besonders wichtig und variieren je nach Offenheit des Netzwerkes:
organisationsinternes Netzwerk:
  • Mitarbeiterzeitung,
  • Intranet,
  • Mailingliste,
  • Chatgruppen;
offenes Netzwerk:
  • Social Media,
  • Websites,
  • Veranstaltungen.

In beiden Fällen sollten mehrere Kanäle bespielt, Infoveranstaltungen/ Events zu aktuellen Themen organisiert und Multiplikator:innen/ Markenbotschafter:innen identifiziert werden.
Tabelle 2: Werkzeugkasten fürs Netzwerken

Beitragsbild von Hudson Hintze auf Unsplash