Daten teilen, Gemeinwohl stärken: Daten-Altruismus in der Praxis gemeinsam gestalten

Blogbeitrag zum Workshop: Daten teilen, Gemeinwohl stärken: Daten-Altruismus in der Praxis gemeinsam gestalten

Daten sind das sprichwörtliche Öl unserer Zeit. Damit diese einen echten Mehrwert für gesellschaftliche Fragen entfalten, braucht es eine verlässliche Grundlage: verfügbare Daten. Ein Ansatz, um diese Lücke zu schließen, ist die Idee der Datenspende, auch Daten-Altruismus genannt. Unter dem Begriff Daten‑Altruismus sind Initiativen subsumiert, bei denen Einzelpersonen oder Unternehmen ihre Daten freiwillig, unentgeltlich und für Zwecke von allgemeinem Interesse zur Verfügung stellen – sei es für Forschung, Mobilität, Umwelt oder die öffentliche Verwaltung. Damit das gelingt, braucht es Vertrauen, klare Regeln und transparente Strukturen.

Öffentliche Aufmerksamkeit erhielt das Thema bisher vor allem im Gesundheitsbereich. Während der Covid-19-Pandemie ist die Nutzung freiwillig zur Verfügung gestellter, persönlicher Daten zur Nachverfolgung der Infektionskette und zur Forschung im allgemeinen Interesse für viele Bürgerinnen und Bürger erlebbar geworden, wie eine Stellungnahme des Arbeitskreises medizinischer Ethikkommissionen der Bundesrepublik Deutschland e.V. 2023 festhält. Für die Corona-Datenspende-App des Robert Koch-Instituts (RKI) konnten für einen begrenzten Zeitraum Daten beispielsweise zum Ruhepuls an das RKI gespendet werden, die für eine Analyse der epidemiologischen Situation genutzt wurden. Für einen offenen, transparenten Zugang zum Forschungsprojekt wurden im Nachgang Teildatensätze in einem Open Data Portal veröffentlicht.

Der Ansatz des Daten-Altruismus wird inzwischen durch die EU-Richtlinie Data Governance Act (DGA) rechtlich gestärkt. Diese soll einen verlässlichen Rahmen für sogenannte datenaltruistische Organisationen schaffen. Damit Institutionen solche Daten im Sinne des Daten-Altruismus sammeln und nutzen dürfen, müssen sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Der Data Governance Act definiert hierfür klare Regeln, etwa zur Zweckbindung oder zur organisatorischen Ausgestaltung, und sieht ein offizielles Anerkennungsverfahren vor.

Welche Bedeutung hat Daten-Altruismus nun jedoch für die kommunale Verwaltung? Datenspenden können ein Baustein sein, um datenbasierte Entscheidungen gemeinwohlorientiert und partizipativ auf kleinräumiger Ebene zu unterstützen – gerade auf kommunaler Ebene, wo Bürgerinnennähe und Vertrauen entscheidend sind. Viele gesellschaftliche Herausforderungen, wie nachhaltige Mobilität, soziale Teilhabe oder Umweltmonitoring, lassen sich auf diese Weise praxisnah adressieren. Doch damit das gelingt, braucht es ein gemeinsames Verständnis, geeignete Rahmenbedingungen und vor allem Akzeptanz in der Bevölkerung.

Auf die Frage nach der sicheren und verantwortungsbewussten Erhebung und Verwertung der Daten kann in Teilen in eine technische Antwort gegeben werden: Es bedarf datenschutzkonformen Regularien wie sie sich in Konzepten und Systemen von Data Spaces oder Data Trust Plattformen materialisieren. Diese Systeme folgen Standards in Bezug auf Pseudonymisierung und Anonymisierung und schützen damit die Privatsphäre der Datenspendenden.

Ein erster Schritt, um eine gemeinsame Datensammlung aufzusetzen und zu strukturieren bieten Datenstrategien und Datagovernance-Strategien. Um digitale Souveränität zu stärken, sollten zudem Open-Source-Komponenten und offene Schnittstellen verwendet werden, ohne die Integrität des Systems zu gefährden. Anknüpfend an das oben genannte Beispiel der Corona-App, wurde die RKI-Initiative z.B. für die Nutzung von Closed-Source-Code kritisiert. Laut Untersuchungen waren proprietäre Geräteschnittstellen ein Grund dafür, dass die Initiativen mit Transparenzproblemen zu kämpfen hatte.

In der kooperativen Datensammlung bewegen wir uns jedoch nicht nur in einem technischen, sondern in einem sozio-technischen System, in dem auch – und gerade – die menschliche Seite von Bedeutung ist.

Wie eine gemeinsame Datensammlung im öffentlichen Raum funktionieren kann, zeigen die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). In ihrer FahrInfo-App wurde 2025 eine neue Tracking-Funktion integriert: Fahrgäste können freiwillig ihre Wegedaten aktiv freigeben – vollständig nach Datenschutzrichtlinien anonymisiert und ausschließlich für Berlin und Brandenburg. Diese Daten helfen der BVG, Muster bei der ÖPNV-Nutzung besser zu verstehen – etwa welcher Strecke die meisten Pendler folgen, wo Umstiege stattfinden, und welches Verkehrsmittel bevorzugt genutzt wird. Die BVG beschreibt diesen Ansatz als ergänzende Datenquelle zu bestehenden Zählsystemen oder Befragungen, damit Planung und Angebot zielgerichteter und bedarfsgerechter gestaltet werden können.

Das Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE (Kaiserslautern) beschäftigt sich in der Abteilung Smart City Design intensiv mit der Frage, wie Digitalisierung auf kommunaler Ebene gemeinwohlorientiert, sicher und nutzerinnenzentriert gestaltet werden kann. Unser Fokus liegt auf der Entwicklung und Begleitung von digitalen Strategien und Lösungen für Städte, Gemeinden und Landkreise – insbesondere auch im Kontext von Open Data, digitaler Teilhabe und Daten-Governance. Das Thema Daten-Altruismus knüpft unmittelbar an unsere Arbeit an: Wir forschen gemeinsam mit Kommunen daran, wie sie Daten verantwortungsvoll nutzen können z.B. im Bereich von City Apps (https://www.iese.fraunhofer.de/blog/smart-city-apps-im-smart-city-oekosystem/).

Welche Aufgabenstellung oder Frage wird im Workshop bearbeitet?

In unserem PIAZZA-Workshop soll gemeinsam erarbeitet werden, was Daten-Altruismus bedeutet und wie dieses Konzept in der Praxis sinnvoll angewendet werden kann. Es geht darum, konkrete Anwendungsfälle zu identifizieren, bei denen freiwillig geteilte Daten dem Gemeinwohl dienen – etwa in Bereichen wie Mobilität oder Umwelt. Ein zentraler Fokus liegt auf der Frage, wie Bürgerinnen für das Teilen von Daten gewonnen werden können, ohne dass das Vertrauen in staatliches Handeln leidet. Ziel ist es, kommunale Handlungsräume auszuloten und gemeinsam Ideen für eine praxisnahe und akzeptierte Umsetzung zu entwickeln. Das Thema vereint die Objektivierung von Entscheidungen (datenbasiert) und das Erleben des Datenteilen, welches emotional besetzt ist. Diese beiden Sphären zu reflektieren und eine Machbarkeit zu reflektieren, ist unser Anliegen.

Welche konkreten Ergebnisse entstehen im Workshop?

Ziel ist es, erste geeignete Anwendungsfelder zu identifizieren, in denen freiwillig geteilte Daten dem Gemeinwohl dienen. Das kann entweder die tatsächliche Verwendung von Open Data betreffen oder die Erkenntnis, weitere noch nicht offene Daten zu benötigen. Zudem sollen Erkenntnisse darüber entstehen, welche Bedingungen und Formate die Akzeptanz von Bürgerinnen fördern – etwa in Bezug auf Transparenz, Datenschutz oder Beteiligung. Gemeinsam mit den Teilnehmenden wollen wir herausarbeiten welche Datenlücken in Bezug auf die identifizierten Anwendungsfelder vorliegen und Hypothesen aufstellen, welche Rahmenbedingungen zum Datenteilen motivieren.


Beitragsbild von Jonathan Kemper auf Unsplash