Think Open (Source)! Kommunen auf dem Weg zu digitaler Souveränität

Hinweis: Dieser Beitrag wurde von den Referent:innen des Lightning Talks Think Open (Source)! Kommunen auf dem Weg zu digitaler Souveränität verfasst. Sie können Sich hier zur PIAZZA-Konferenz anmelden.

Digitale Souveränität: Kaum ein Begriff hat es in den letzten zwei Jahren so rasant nach oben auf die politisch-strategische Agenda von Bund, Ländern und Kommunen geschafft wie dieser. Souverän handelt, wer selbständig, selbstbestimmt und sicher ist, so heißt es. Die Digitalisierung verlangt einen neuen Blick darauf, wie Verwaltung, Politik und die örtliche Gemeinschaft die daran hängenden Werte schützen können. Wir betrachten auf der PIAZZA die öffentliche IT und fragen uns, wie ihre Gestaltung zu mehr Digitaler Souveränität beitragen kann.

WARUM sollten wir uns Digitaler Souveränität verstärkt widmen? WIE verstehen wir Souveränität in einer zunehmend digitalisierten Welt? WAS ist dabei konkret die Rolle von Kommunen und WOMIT können Kommunen ihre Digitale Souveränität stärken?

Das WARUM

Unterschiedliche technologische Trends prägen unser Leben, Arbeiten und Wirtschaften. Big Data, Automatisierung & Künstliche Intelligenz (KI), Cloud Computing und Plattformtechnologien sind allen voran zu nennen. Daten entstehen in Echtzeit und zwar gerade dort, wo wir leben – in den Kommunen. Ganz gleich, ob wir uns mit intelligenten Verkehrsmitteln fortbewegen, einen Webservice zur Navigation nutzen, Ärzt:innen, Restaurants und Bildungseinrichtungen bewerten, virtuell Museen oder Ratssitzungen besuchen, digitale Verwaltungsservices nutzen, unsere Bücher online ausleihen oder mit dem Spielplatzfinder die Familienfreizeit gestalten.

In sämtlichen kommunalen Gestaltungsfeldern sind Daten das A und O. Gleichzeitig sind sie die Grundlage, um Services zu verbessern und etwa Angebote für Bürger:innen zu steuern – für mehr Lebens-, Arbeits- und Standortqualität. In Zukunft spielen Automatisierung und KI dafür eine zunehmend wichtige Rolle. Sie sollen Gemeinwohl stiften und in Zeiten der Personalknappheit Kapazitäten an den Stellen einsparen, an denen es nicht zwingend den Menschen braucht – zu Gunsten der Angebote und Leistungen, bei denen wir uns eine menschliche Interaktion wünschen. Wie aber stellen Kommunen sich souverän auf, wenn sie nicht souverän über genau diese Daten verfügen?

Nicht nur der Speicher, sondern ganze Anwendungen kommen heute aus der Cloud. Verbunden ist das mit vielen Vorteilen: Services sind scheinbar endlos skalierbar, die Flexibilität in der Nutzung steigt und Anwendungen sind „just in time“ online verfügbar. Immer mehr Softwarehersteller verfolgen daher eine Cloud-Strategie: Viele Anwendungen wird es künftig gar nicht mehr zur lokalen oder Server-Installation geben. Abhängigkeiten nehmen dadurch vielfach zu. Wie stellen Kommunen sich souverän auf, wenn sie sich gleichzeitig abhängiger von zentralen Software-Herstellern machen?

DARUM befassen wir uns mit Digitaler Souveränität.

Das WIE

Souveränität in einer zunehmend digitalisierten Welt bedeutet, diese selbstbestimmt gestalten zu können. Dafür braucht es insbesondere Kompetenzen und Optionen.

Kompetenzen für eine digitalisierte Lebens- und Arbeitswelt braucht es innerhalb und außerhalb der Verwaltung. Ihre Stärkung ist ein Element der kommunalen Daseinsvorsorge. Die eine digitale Kompetenz gibt es dabei nicht. Vielfach sind unterschiedliche Facetten – von Kommunikationsfähigkeit im digitalen Raum bis hin zum Umgang mit technischen Mitteln zu betrachten.

Optionen braucht es gerade im Kontext der Nutzung von IT. Sie durchdringt heute all unsere Lebensbereiche. Nur wenn Kommunen die Wahlmöglichkeit haben, welche IT sie einsetzen und dabei nicht auf nur einen Anbieter proprietärer Software setzen müssen, können sie mit Blick auf ihre IT souverän handeln. Allerdings beobachten wir, dass wir uns über Jahre hinweg auf wenige, in wesentlichen Teilen monopolartige Software-Anbieter eingestellt haben. Sämtliche Prozesse – von der Beschaffung bis hin zur Vermögensbildung – sind wunderbar darauf eingespielt. Die Abhängigkeit von ihnen ist vielfach kritisch für die IT-Infrastruktur. Die Cloud-Strategien führen uns das jetzt vor Augen. Denn die Wechselmöglichkeiten sind begrenzt und das Wissen um Funktionalität und Datenverarbeitung in der Cloud häufig auch.

Digitale Souveränität heißt auch zu lernen, Abhängigkeiten zu überblicken und aktiv zu steuern. Abhängigkeiten werden im Kontext der IT immer bestehen. Aber Kommunen müssen gestaltungsfähig bleiben. Die Optionen aber brauchen Kommunen und darum müssen sie sich jetzt kümmern.

SO verstehen wir Digitale Souveränität.

Das WAS und WOMIT

Kommunen sollten es also als ihren Auftrag im Kontext kommunaler Daseinsvorsorge verstehen, die Digitale Souveränität in all ihren Facetten zu stärken. Mit Blick auf die kommunale IT heißt dies, auf möglichst viele Anbieter zu setzen (Multi-Supplier-Strategie). Ein wesentlicher Baustein liegt darüber hinaus im Einsatz von Open-Source-Software (OSS), auch Freie Software genannt.

OSS bedeutet, dass der Software-Code lizenzrechtlich offen und frei zugänglich ist. Er ist „Gemeingut“. Kommunen können ihn verwenden, verstehen, verbessern und verbreiten. Dies beschreiben die vier Freiheiten der Free Software Foundation Europe. Diese Freiheiten räumen den Kommunen Rechte und Pflichten ein. Die Rechte ermöglichen es, Software nachhaltiger einzusetzen. Das begründet sich insbesondere durch die Nachnutzbarkeit im Sinne des Grundsatzes „Public Money? Public Code!“, aber auch darin, dass das Wissen um den Code nicht eingeschlossen ist, sondern weitergegeben wird – in einer ganzheitlichen Community aus Zivilgesellschaft, Staat, Wirtschaft und Wissenschaft. Die lizenzrechtlichen Pflichten wiederum garantieren, dass Verbesserungen im Code wieder vergemeinschaftet werden und auf diese Weise vielen Nutzenden zu Gute kommen.

Der erste Schritt in Richtung einer Freien digitalen Infrastruktur ist die konsequente Förderung und Forderung Offener Standards. Dabei handelt es sich um herstellerunspezifische Schnittstellen und Formate, die unterschiedlichen IT-Systemen eine höchstmögliche Interoperabilität ermöglichen, d.h. unterschiedliche Freie (und proprietäre) Software kann dann miteinander kommunizieren. Das Auslesen von Daten ist somit nicht von einem Programm abhängig, welches nur ein Hersteller lizenzieren kann.

Klingt als seien OSS und Offene Standards wie gemacht für die Öffentliche IT? Richtig! Dennoch sind viele Prozesse in den Verwaltungen, beispielsweise in den Bereichen Vergabe und Beschaffung oder im IT-Betrieb, noch nicht darauf ausgerichtet, den Einsatz von OSS zu fördern. Unsere digitale Infrastruktur ist historisch anders gewachsen. Dafür braucht es eine Open-Source-Governance, ein Open-Source-Mindset und eine Kultur getreu dem Motto „Think Open (Source)!“

Christian Nähle, Do-FOSS, und Anika Krellmann, KGSt, werden dies in ihrem Lightning Talk diskutieren.


Weiterführende Links:

Video „Gründe für Public Code“: Publiccode.eu

KGSt-Bericht „Open Source in Kommunen”: KGST.de

Blog Do-FOSS: Do-FOSS.de


Titelbild: CHUTTERSNAP | Unsplash