Der lernende, digitale Staat: Lernkultur, Wissensmanagement und Innovation

Die Kuppel des Reichstagsgebäude ist als Speiseglocke auf einem Teller platziert, der von einer Roboterhand gehalten wird.

Digitalkompetenzen sind ein integraler Bestandteil eines erfolgreichen digitalen Transformationsprozesses. Eines der drei zentralen Handlungsfelder der neuen Digitalstrategie der Bundesregierung ist der “Lernende, digitale Staat”. Dahinter stehen diverse Digitalisierungsvorhaben, die das Zielbild für den digitalen Fortschritt bis 2030 in der öffentlichen Verwaltung bilden. Digitale Identitäten und Onlinezugang, Cybersicherheit, digitale Souveränität und Datenpolitik sind nur einige Stichworte. Doch wie genau eine lernende Organisation aufgestellt sein muss und welche organisationalen Kapazitäten und individuellen Kompetenzen notwendig sind, bleibt eine organisationsspezifische Fragestellung.  

In einem Piazza-Workshops beleuchten wir die drei Themenfelder Lernkultur, Innovation und Wissensmanagement. Hierzu geben wir einen Überblick über die Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen zur Förderung digitaler Kompetenzen in der öffentlichen Verwaltung aus dem durch den IT-Planungsrat initiierten Forschungs- Entwicklungs- und Umsetzungsprojekt Qualifica Digitalis und dem Whitepaper „Erfolgreiche Innovationsfellowships in der Verwaltung umsetzen“. Gemeinsam mit Verwaltungsmitarbeitenden, Berater:innen und Forschenden, die sich für die Themen Personal- und  Organisationsentwicklung, Innovationsmanagement, Wissensmanagement und E-Learning interessieren, möchten wir die allgemeinen Handlungsempfehlungen konkretisieren und im Ergebnis Leitfäden und Blaupausen für praxiserprobte Vorgehensweisen entwickeln.  

Lernkultur 

Die Diskrepanz zwischen Vision und gelebter Praxis in Bezug auf den “lernenden, digitalen Staat” klafft vielfach, nicht zuletzt durch akuten Personalmangel, aber auch durch die gelebte Führungspraxis, noch stark auseinander. Das Problem des Fachkräftemangels kann in der Personalentwicklung nicht gelöst werden. Trotzdem kann eine gute Personalentwicklung dazu beitragen, die Verwaltung als Arbeitgeberin deutlich attraktiver zu machen. Handlungsspielräume sind jedoch begrenzt, weil auch Aufstiegsmöglichkeiten nur begrenzt vorhanden sind. Was bleibt ist die intrinsische Motivation von Beschäftigten, ihre Arbeit gut zu machen und eigene Ansprüche an die Arbeit zu definieren. Motiviert werden kann dieses Engagement durch Beteiligung. Die Entwicklung eines Leitbildes sollte deshalb nicht nur als Top-down-Ansatz verstanden werden, sondern, und das ist auch bereits gelebte Praxis, ein möglichst beteiligungsorientierter Leitbildprozess angestoßen werden.  

Wir möchten uns deshalb mit der Fragestellung befassen, wie die Vision einer lernenden Verwaltung, die auch in der Digitalstrategie ein eigenes Handlungsfeld darstellt, auf organisationsspezifische Leitziele heruntergebrochen werden kann. Die Weiterentwicklung der Lernkultur in der öffentlichen Verwaltung wurde in unseren Gesprächen mit Personalentwickler:innen immer wieder betont. Leitziele haben zunächst einen Top-Down-Charakter. Doch welche Rollen können Bottom-up-Prozesse dabei spielen?  Wir möchten zum einen wesentliche Aspekte einer Lernkultur herausarbeiten und zudem auf den eigentlichen Leitbildprozess näher eingehen. Ausgangspunkt für die Diskussion soll eine konkrete Personalentwicklungsstrategie sein, die wir im Rahmen des Workshops bearbeiten. 

Wissensmanagement 

Ein weiterer Aspekt des Lernens ist das Wissensmanagement. Im Moment erleben wir hier einen starken Trend hin zu kleinen mundgerechten “Learning Nuggets” bzw. “Wissenshäppchen” als Bestandteil des Wissensmanagements und der Qualifizierung im öffentlichen Sektor. Verschiedene Initiativen (eGov Campus; Digitalakademie ; KI Campus ) wurden bereits ins Leben gerufen, um offenen Lernressourcen zur Verfügung zu stellen. Doch viele Verwaltungen und Fortbildungsanbieter haben sich zudem selbst auf den Weg gemacht, um digitale Lernressourcen zu produzieren. In der Session möchten wir deshalb Erfahrungen austauschen, wie digitale Lerninhalte in Eigenregie produziert werden und welche Fallstricke dabei berücksichtigt werden sollten. 

Innovation 

Mit dem Ziel einer digitalen Transformation der öffentlichen Verwaltung werden mithilfe unterschiedlicher organisationaler und technischer Neuerungen neue Arbeitsweisen und Kompetenzen in die öffentliche Verwaltung integriert. Dazu gehören neben der strategischen Organisations- und Personalentwicklung sowie den daraus resultierenden Weiterbildungsplänen auch Formate wie z. B. Innovations- oder Digitallabore, Hackathons zusammen mit der Zivilgesellschaft oder die kurzfristige Akquise und Rekrutierung von Talenten aus anderen Sektoren in Form von Innovationsfellowships. 

In der Personalpolitik der öffentlichen Verwaltung sind fluide Wechsel von Arbeitskräften zwischen Wirtschaft und Zivilgesellschaft auf der einen und den Behörden auf der anderen Seite nur selten vorgesehen. An diesem Punkt setzen Innovationsfellowships an und erlauben für einen begrenzten Zeitraum den Einsatz externer Digitaltalente, genannt Fellows, in einer Behörde. Auf diese Weise kann im Idealfall eine beidseitige Lernerfahrung entstehen – Fellows regen die Anwendung agiler, nutzendenzentrierter Methoden in einem bestimmten Projekt oder im Rahmen einer digitalen Produktentwicklung an, während Verwaltungsmitarbeitende ihr Wissen über interne Strukturen und Prozessabläufe teilen. 

Erfolgreich sind Innovationsfellowships dann, wenn es gelingt, auch über den Projektzeitraum hinaus agile, nutzendenzentrierte Arbeitsweisen nachhaltig in der Organisation zu verankern und so langfristig den bereits stattfindenden Kulturwandel in der öffentlichen Verwaltung voranzutreiben. Im Whitepaper „Erfolgreiche Innovationsfellowships in der Verwaltung umsetzen“ werden zentrale Erfolgsfaktoren aufgezeigt, die es sowohl bei der Planung als auch bei der Durchführung von Innovationsfellowships zu berücksichtigen gilt. Die im Whitepaper gegebenen Handlungsempfehlungen möchten wir in dieser Session als Diskussionsgrundlage nutzen, um mit den Teilnehmen über ihre Erfahrungen und Erkenntnisse zu sprechen. Welche Herausforderungen gehen mit der Einführung agiler und nutzendenzentrierter Methoden einher und welche Anforderungen stellen sich im Transformationsprozess? In der gemeinsamen Diskussion soll eine Checkliste zur Integration neuer Arbeitsweisen validiert werden. 

Hintergrund Projekt Qualifica Digitalis 

Das vom IT-Planungsrat beauftragte Projekt Qualifica Digitalis wurde unter der Federführung des Landes Bremen und unter Beteiligung von den drei Forschungspartnern Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung (FÖV), Institut für Informationsmanagement Bremen (ifib) und Fraunhofer-Institut für offene Kommunikationssysteme (FOKUS) durchgeführt. Ziel des Projektes war es, auf der Basis qualitativer und quantitativer wissenschaftlicher Methoden Handlungsempfehlungen für Qualifizierungsstrategien in der beruflichen Bildung und der Personalentwicklung entlang der Anforderungen der digitalen Transformation zu erarbeiten.  

Das Projekt gliederte sich in drei Phasen. Zunächst wurde eine Studie zu Kompetenzen, Perspektiven und Lernmethoden im digitalisierten öffentlichen Sektor durchgeführt, um die Relevanz digitaler Kompetenzen in einschlägiger Literatur zu ermitteln. Die Ergebnisse wurden in einem Dashboard aufbereitet, um sie mit dem breit aufgestellten Projektnetzwerk unter Beteiligung von Fachexpert:innen im Bereich der Qualifizierung und Personalentwicklung im öffentlichen Sektor, zu diskutieren. Im Ergebnis wurde der Kompetenzbegriff für das Projekt definiert. Dabei gewinnen personale überfachliche und methodische Kompetenzen im Zuge der digitalen Transformation stark an Bedeutung.  

In der zweiten Phase des Projekts wurden verschiedene Fachaufgaben in der öffentlichen Verwaltung betrachtet. Die Fachdomänen befanden sich auf unterschiedlichen Verwaltungsebenen und umfassten die Justizverwaltung, die Zentralverwaltung, die bürgernahen Dienste, die Steuerverwaltung sowie die Sozialverwaltung und IT Service/IT Steuerung. Die Ergebnisse aus der quantitativen Befragung und den qualitativen Interviews mit Personalentwickler:innen befinden sich momentan noch im Veröffentlichungsprozess. Es wurden insbesondere Rahmenbedingungen für die digitale Arbeit, die Wahrnehmung von Veränderungen und Erwartungen in Bezug auf die zukünftige Arbeit sowie eigene Einschätzungen zu Kompetenzbedarfen in den unterschiedlichen Fachdomänen adressiert.   

In der dritten Phase des Projekts wurden Strategien und Handlungsempfehlungen für die Qualifizierung im öffentlichen Sektor. Die Handlungsempfehlungen für die berufsbegleitende Qualifizierung werden Gegenstand des geplanten Workshops sein. Im Workshop wird ein Überblick zu den Erkenntnissen und Handlungsempfehlungen zur Förderung digitaler Kompetenzen in der öffentlichen Verwaltung gegeben. Dabei werden sowohl die organisationalen Kapazitäten als auch das non-formale und informelle Lernen in den Blick genommen.