Die föderale IT-Infrastruktur und das OZG 2.0 – how to make it work 

Eines der größten Probleme der Umsetzung des Onlinezugangsgesetze (OZG) ist das „in die Fläche kommen“. Es entstehen zwar in allen Themenfeldern Online-Dienste, diese sind jedoch meist nur in einige Kommunen oder Landkreisen verfügbar und das trotz viel Aufwand und Corona-Milliarden. Geld scheint nicht das Problem zu sein.

Die Herausforderungen beim „in die Fläche kommen“ hängen eng mit dem „Einer-für-alle“ (EfA) Prinzip zusammen. Damit ist der vermeintlich sinnvolle Ansatz gemeint, dass Online-Dienste von einem Bundesland für alle Bundesländer entwickelt und betrieben werden.

Was dabei nicht gut genug bedacht wurde, ist, dass die Entwicklung eines EfA-Online-Dienstes nur der erste Schritt ist. Um diesen Dienst in der Fläche anbieten zu können, muss er mit unzähligen Fachverfahren in den zuständigen Behörden verknüpft werden und zwar über IT-System-Grenzen hinweg.

Durch die heterogene Schnittstellenlandschaft der IT-Systeme und Fachverfahren finden diese Verknüpfungen in der Regel manuell statt und sind entsprechend aufwändig. Der Rollout von EfA-Diensten stockt deshalb und ist insbesondere für Kommunen auch kostspielig.

Mit Blick auf ein OZG-Nachfolgegesetz sollte deshalb der deutsche EfA-Ansatz überdacht werden. Es braucht einen Ansatz, der sowohl Skalierbarkeit in der Fläche ermöglicht und geleichzeitig die föderale Struktur und Heterogenität der IT-Systeme abbilden kann.

Wie das funktionieren könnte, zeigt ein Blick ins europäische Ausland. Das Vereinigte Königreich, Italien, Estland und andere setzen erfolgreich auf eine zentrale, gemeinsame Infrastruktur, die gewisse Basiskomponenten und Ressourcen für alle Behörden und Ebenen zur Verfügung stellt. Diese Infrastruktur dient als Rückgrat der IT-Systeme der einzelnen Behörden und Institutionen.

Typischerweise handelt es sich bei dieser gemeinsamen Infrastruktur um eine zentrale Authentifikationskomponente, eine zentrale Payment-Komponente und eine zentrale Kommunikationskomponente, die offen für alle Behörden zugänglich sind. Weiterhin werden ein Baukastensystem für die Erstellung von Online-Diensten sowie ausführliche Dokumentationen und Hilfestellungen für Entwickler:innen zur Verfügung gestellt. Diese Länder setzen also auch auf „Einer-für-Alle“, aber nicht für die Online-Dienste, sondern zur Unterstützung der Online-Dienste.

In Deutschland argumentiert seit Jahren der Normenkontrollrat für eine gemeinsame Infrastruktur (zuletzt hier). Und in der Tat gibt es auch hier bereits Basiskomponenten, die dem EfA-Ansatz folgen – BundID, ePayBL, FIT-Connect und andere.

In seiner aktuellen Ausgestaltung ist der deutsche Infrastrukturansatz jedoch nicht konsequent und nicht umfassend genug. Die Basiskomponenten sind in ihrem Funktionsumfang unvollständig und nicht offen zugänglich. Vor allem aber ist die Infrastruktur nicht „aus einem Guss“. Das zeigt bereits der Umstand, dass sich für die drei genannten Basiskomponenten jeweils sehr unterschiedliche Organisationen verantwortlich zeichnen.

Ein OZG-Nachfolgegesetz sollte deshalb die bereits bestehenden Basiskomponenten explizit als gemeinsame, föderale Infrastruktur verstehen und auf ihre konsequente Weiterentwicklung zu einer zentralen, gemeinsamen Infrastruktur für E-Government in Deutschland hinarbeiten. Konkret sollten dabei im Gesetz sowie in Beschlüssen und Verordnungen folgende Punkte verfolgt werden:

Eckpunkte für eine föderale IT-Infrastruktur für skalierbares E-Government in Deutschland

  1. Klare Benennung und Definition der Infrastruktur
    Aus welchen Elementen besteht die föderale IT-Infrastruktur? Was ist ihr Zweck? Dies sollte klar geregelt sein. Eine pragmatische Lösung wäre, im OZG den Begriff „Portalverbund“ schlicht durch „föderale IT-Infrastruktur“ zu ersetzen und dessen Definition zu erweitern, bspw. wie folgt: Alle Komponenten und Ressourcen, die zur Unterstützung von und Kommunikation zwischen den IT-Systeme des Bundes und der Länder dienen.
  2. Klare Zuordnung der Rollen, insbesondere eines Infrastrukturowners
    Wer definiert, entwickelt und betreibt neue Komponenten und Ressourcen der Infrastruktur? Hier sollte es einen fachlich versierten, unabhängigen Gesamtverantwortlichen mit entsprechender finanzieller Ausstattung geben. Naheliegend ist die FITKO.
  1. Verpflichtung zur Öffnung und Anbindung der Infrastruktur
    Wer kann die Infrastruktur nutzen? In welchen Fällen ist deren Nutzung verpflichten? Die Komponenten der Infrastruktur sollten grundsätzlich offen zugänglich und öffentlich dokumentiert sein, um die Hürde, sie zu nutzen, möglichst klein zu halten. Zuträglich wäre außerdem eine Verpflichtung zur Anbindung der BundID, um die Zentralisierung und Standardisierung einer zentralen Identifikationskomponente zu fördern.
  1. Infrastruktur as a Service
    Wie kann die Nutzung der Infrastruktur gefördert werden? Wie können innovative Unternehmen, z.B. Startups, für den Öffentlichen Sektor gewonnen werden? Dazu muss die Nutzung der Infrastruktur möglichst einfach sein. Geeignete Maßnahmen sind neben der öffentlichen Dokumentation aller Schnittstellen, die Bereitstellung von Beispielcode, SDKs, Testumgebungen, Support und Self-Service-Angeboten.

Überspitzt gesagt hat Deutschland den richtigen Ansatz an der falschen Stelle angewandt. Durch eine Refokussierung auf die Infrastruktur und die konsequente Integration bestehender Basiskomponenten könnte die OZG-Umsetzung und damit E-Government in Deutschland jedoch schnell und nachhaltig profitieren. Das OGZ 2.0 sollte jedenfalls an den genannten Punkten gemessen werden.