Soziale Nachhaltigkeit und Smart Cities – Wie lässt sich die sozial-nachhaltige digitale Transformation in Städten für die gesamte Gesellschaft gestalten?

Blogbeitrag zum Workshop „Soziale Nachhaltigkeit und Smart Cities – Wie lässt sich die sozial-nachhaltige digitale Transformation in Städten für die gesamte Gesellschaft gestalten?“ https://piazza-konferenz.de/die-workshops/2023_smart-city/


Zwei maßgebliche Transformationen: Nachhaltigkeit und Digitalisierung

Digitalisierung und Nachhaltigkeit stehen gegenwärtig als entscheidende Transformationen weltweit im Fokus diverser wissenschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Debatten. Einerseits durchdringen und verändern digitale Technologien zunehmend sämtliche Lebensbereiche und erleichtern an vielen Stellen das private und öffentliche Leben und gelten als vielversprechende Instrumente im Kampf für mehr Nachhaltigkeit, etwa durch den Einsatz digitaler Technologien in der Landwirtschaft, bei der Entwicklung nachhaltiger Mobilitätskonzepte oder der Überwindung von Ressourcenproblemen. Gleichzeitig wird immer deutlicher, dass Technologie alleine keine Nachhaltigkeitsprobleme lösen kann, sondern eine sinnstiftende Einbettung notwendig ist, um negative Effekte der digitalen Transformation wie etwa den immer größer werdende Energieverbrauch oder kritische soziale und ethische Implikationen digitaler Technologien bewusst einzugrenzen. 

Städte als Testlabors in der Transformation 

Eine dritte, in diesem Kontext relevante Entwicklung ist der anhaltende globale Trend zur Urbanisierung. Städte werden aufgrund ihres rasch voranschreitenden Wachstums immer relevanter, laut einem Bericht der Vereinten Nationen werden bis 2050 voraussichtlich zwei Drittel der Weltbevölkerung in urbanen Umfeldern leben (United Nations, 2018). Dieser Umstand erfordert den Ausbau Infrastrukturen und stellt Städte vor diverse Herausforderungen, etwa in den Bereichen Mobilität, Energieversorgung oder Wohnen.

Digitale Technologien können Städte bei der Bewältigung dieser Herausforderungen unterstützen, allerdings hat das Konzept Smart City in den vergangenen Jahren einige Kritik erfahren: So haben diverse Studien gezeigt, dass eine Smart City-Strategie nicht automatisch zum Gemeinwohl oder Umweltschutz in einer Stadt beiträgt, sondern im Gegenteil auch zu Überwachung von Bürger:innen, Segregation oder Kapitalisierung des öffentlichen Raums führen kann (Bria & Morozov, 2018, Bingöl 2021).

Von der “smarten” zur nachhaltig-digitalen Stadt 

Als Reaktion darauf wird in jüngster Zeit sowohl auf städtischer Seite als auch in der wissenschaftlichen Literatur zunehmend von Sustainable Smart Cities gesprochen, Städten also, die Digitalisierung in den Dienst der Nachhaltigkeit stellen möchten. Dabei fällt auf, dass Studien bislang in erster Linie ökologische und ökonomische Potentiale und Herausforderungen digitaler Technologien verhandeln, während die soziale Dimension von Nachhaltigkeit im Digitalisierungskontext vergleichsweise unklar bleibt. Insbesondere in urbanen Räumen sind Fragen nach sozialer Gerechtigkeit, Zugang und Teilhabe jedoch hochrelevant, weshalb der geplante Workshop die soziale Dimension von Nachhaltigkeit in den Fokus stellen und die Möglichkeiten der Gestaltung einer sozial-nachhaltigen digitalen Transformation in deutschen Städten ausleuchten möchte. 

Was bedeutet soziale Nachhaltigkeit in Smart City-Kontexten? 

Obgleich soziale Nachhaltigkeit von Beginn an als zentrales Nachhaltigkeitsziel formuliert wurde, ist diese Dimension im Vergleich zur ökologischen und ökonomischen Dimension erst spät zum zentralen Bestandteil wissenschaftlicher Auseinandersetzungen geworden. Bis heute bleibt der Begriff Soziale Nachhaltigkeit in der Literatur sowie in öffentlichen Debatten vergleichsweise diffus und nach wie vor besteht ein Mangel an theoretischen sowie empirischen Studien in diesem Bereich  (z.B. Partridge, 2005; Griessler  & Littig, 2005; Eizenberg & Jabareen, 2017; Ballet et al, 2020). Dieser Umstand liegt unter anderem darin begründet, dass es keine einheitliche Definition für soziale Nachhaltigkeit gibt, sondern sich dieses eher aus einer Liste von Faktoren, die jeweils zu einem lebenswerten Leben in einer Gesellschaft beitragen, zusammensetzt, dazu zählen etwa soziale Gerechtigkeit aber auch Zugang zu lokalen Services und Einrichtungen sowie Arbeitsplätzen und Grünflächen zur Erholung. 

In aktuelleren Definitionen wird soziale Nachhaltigkeit als die Bereitschaft einer Gesellschaft, das Wohlergehen der Gemeinschaft und (Generationen-)Gerechtigkeit aufrecht zu erhalten, beschrieben (Osburg & Lohrmann, 2017) und das Ziel formuliert, soziale und gesellschaftliche Spannungen zu minimieren und Konflikte friedlich zu lösen, sodass ein gutes Leben für alle ermöglicht wird. Dafür spielen Gerechtigkeit und Teilhabe (Engels, 2022) ebenso wie die Frage nach der Verteilung von Ressourcen, Annehmlichkeiten und Möglichkeiten in einer Gemeinschaft eine entscheidende Rolle (Opp, 2016). 

Auch in der Literatur zu Sustainable Smart Cities ko-existieren unterschiedliche Definitionen und Auffassung der Bedeutung von sozialer Nachhaltigkeit, aus welchen Chen et al. (2021) vier Hauptthemen  identifizieren: Soziale Gerechtigkeit, Lebensqualität, eine verantwortungsvolle Regierungsführung, die den Mensch in den Mittelpunkt stellt und die Möglichkeit zur Partizipation für Bürger:innen. Diese vier Elemente entfalten insbesondere im urbanen Raum eine besondere Relevanz, da in dieser sozialen Struktur Kultur, Identität und Beziehungen von vielen Menschen auf engem Raum aufeinandertreffen (Hollands, 2015). Demzufolge müssen erfolgreiche Smart City-Strategien sich sozialer Herausforderungen wie Segregation, unpassender Stadtplanung, Armut oder Gewalt annehmen (Bouzguenda et al., 2019), sich dabei aber der Vielfalt sozialer Interaktionen innerhalb einer Stadt bewusst sein und die Tatsache anerkennen, dass der Einsatz von Technologien bestehende Ungleichheiten verstärken und zu neuen Formen der Ungerechtigkeit und Ausgrenzung führen kann (Chen et al., 2021).

Sustainable Smart Cities der Zukunft 

Um dies umzusetzen legen jüngere Studien zwei Strategien nahe: Zum einen können bürger:innen-zentrierte Smart-Governance-Systeme einen Beitrag leisten, indem sie Gerechtigkeit, Inklusion und soziale Gerechtigkeit in jeder Phase der Entwicklung von Smart-City-Initiativen berücksichtigen  (Chen et al., 2021).

Zum anderen stellt die Einbeziehung von Bürger:innen in städtische Entscheidungs- und Mitgestaltungsprozesse eine vielversprechende Strategie dar, um derartigen Herausforderungen im Sinne einer sozial nachhaltigen Stadt zu begegnen (Bouzguenda et al., 2019;  Bingöl, 2021). So können bürgerschaftliches Engagement sowie ein Austausch zwischen verschiedenen Stakeholder:innen aus Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft in der Stadt als Schlüsselfaktoren für ein innovatives und sozial nachhaltiges urbanes Umfeld betrachtet werden (Anthony Jr., 2023).

Wie sieht die Praxis in deutschen Städten aus?

Sustainable Smart Cities bieten einige vielversprechende Gestaltungsansätze für zukunftsfähige urbane Räume, die von deutschen Städten bereits aufgegriffen werden. So versprechen einige Smart City-Strategien nicht nur in technologische Effizienz zu investieren, sondern mit Hilfe digitaler Technologien das Leben der Bürger:innen zu verbessern und die Digitalisierung in den Dienst der ökologischen, ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit zu stellen (siehe z.B. Digitalisierungsstrategie Freiburg, Frankfurt am Main oder Smart City Bochum). Zum aktuellen Zeitpunkt befinden sich die Sustainable Smart City-Strategien und Maßnahmen vieler deutscher Städte noch in der Erprobungsphase – ein spannender Zeitpunkt um einen genaueren Blick auf die Wirkungszusammenhänge zwischen sozialer Nachhaltigkeit und und Digitalisierung zu werfen.


Beitragsbild von Ryoji Iwata auf Unsplash.

Literatur

Ballet, J., Bazin, D., & Mahieu, F.-R. (2020). A policy framework for social sustainability: Social cohesion, equity and safety. Sustainable Development, 28(5), 1388–1394. https://doi.org/10.1002/sd.2092

Bingöl, E. S. (2022). Citizen Participation in Smart Sustainable Cities [Chapter]. Research Anthology on Citizen Engagement and Activism for Social Change; IGI Global. https://doi.org/10.4018/978-1-6684-3706-3.ch052

Bria, F. & Morozov, E. (2018, January 22). Rethinking the Smart City: Democratizing Urban Technology. RLS-NYC. https://rosalux.nyc/rethinking-the-smart-city/

Bouzguenda, I., Alalouch, C., Nadia Fava, & Fava, N. (2019). Towards smart sustainable cities: A review of the role digital citizen participation could play in advancing social sustainability. Sustainable Cities and Society, 50, 101627. https://doi.org/10.1016/j.scs.2019.101627

Chen, T., Ramon Gil-Garcia, J., & Gasco-Hernandez, M. (2022). Understanding social sustainability for smart cities: The importance of inclusion, equity, and citizen participation as both inputs and long-term outcomes. Journal of Smart Cities and Society, 1(2), 135–148. https://doi.org/10.3233/SCS-210123

Colantonio, A. (2011). Social Sustainability: Exploring the Linkages Between Research, Policy and Practice (pp. 35–57). https://doi.org/10.1007/978-3-642-19202-9_5

Eizenberg, E., & Jabareen, Y. (2017). Social Sustainability: A New Conceptual Framework. Sustainability, 9(1), Article 1. https://doi.org/10.3390/su9010068

Engels, B. (2022). Nachhaltige Digitalisierung. Engels IW-Policy Paper, 3. https://www.iwkoeln.de/studien/barbara-engels-nachhaltige-digitalisierung.html

Hollands, R.G. Will the real smart city please stand up?, City 12: (3) ((2008) ), 303–320. doi:10.1080/13604810802479126.

Littig, B., & Griessler, E. (2005). Social sustainability: A catchword between political pragmatism and social theory. International Journal of Sustainable Development, 8(1–2), 65–79. https://doi.org/10.1504/IJSD.2005.007375

Opp, S. M. (2017). The forgotten pillar: A definition for the measurement of social sustainability in American cities. Local Environment, 22(3), 286–305. https://doi.org/10.1080/13549839.2016.1195800

Osburg, T., & Lohrmann, C. (Eds.). (2017). Sustainability in a Digital World: New Opportunities Through New Technologies. Springer International Publishing. https://doi.org/10.1007/978-3-319-54603-2

Partridge, E. (n.d.). Social sustainability: A useful theoretical framework? Retrieved December 5, 2022, from https://www.academia.edu/3678834/Social_sustainability_a_useful_theoretical_framework