Die Digitalität und ihr Datensouverän

Hinweis: Dieser Beitrag wurde von den Referent:innen des Workshops Die Digitalität und ihr Datensouverän verfasst. Die Anmeldung zum Workshop ist geöffnet und hier möglich.

Digitale Souveränität und Datensouveränität sind Begriffe, die derzeit in aller Munde sind. Auffallend ist, dass sie in unterschiedlichen Zusammenhängen, mit verschiedenen Schwerpunktsetzungen und aus unterschiedlichen Sichtweisen diskutiert werden. Diese Diskussion hat die öffentliche Verwaltung längst auch erreicht. Wesentlich ist, dass wir für die Umsetzung der Ziele der Digitalisierung Kompetenzen brauchen, um die entsprechenden Entwicklungen steuern zu können.

Dazu gehört, dass wir auf bereits bestehenden Produkten und Dienstleistungen aufbauen, gleichzeitig aber unverhältnismäßige Abhängigkeiten vermeiden müssen.

Grundsätzlich kann man unter Digitaler Souveränität die Fähigkeit zu selbstbestimmtem Handeln und Entscheiden im digitalen Raum verstehen (vgl. Beschluss-Nr. 2020/19 des IT-Planungsrats).

Ganzheitliche Sicht

Angesichts der Rolle des öffentlichen Sektors nimmt das Team Urban Data Governance einen ganzheitlichen Blick bei der Auseinandersetzung mit diesem Trendthema ein. Die Data Governance für die Stadt Hamburg ist in 15 Handlungsfelder unterteilt:

Abbildung 1: Handlungsfelder der Data Governance (eigene Darstellung)

Diese Struktur impliziert nicht, dass das Thema Digitale Souveränität der Data Governance untergeordnet wird. Es handelt sich vielmehr um ein Querschnittsthema.

Um Data Governance vollumfänglich zu bedienen und den Gesamtzusammenhang nicht aus dem Blick zu verlieren, wird Digitale Souveränität als Handlungsfeld in die Vorgehensweise für den Auf- und Ausbau einer Data Governance für unsere Stadt eingebettet, bei der wir eine starke Praxisorientierung mit einem step-by-step Ansatz verfolgen. Im Workshop wird die Vorgehensweise nochmal aufgegriffen und tiefer beleuchtet.

Um es erneut zu betonen: Das bedeutet nicht, dass wir Digitale Souveränität der Data Governance unterordnen!

Weiter betrachten wir den Begriff Datensouveränität als Teilbereich von Digitaler Souveränität, der in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat und eine Bandbreite an Unteraspekten behandelt – angefangen bei technologischen Herausforderungen (z.B. Hersteller(un)abhängigkeit, Datenqualität) bis hin zu „weichen“ Themen wie Datenkompetenzen oder der Organisationskultur.

Die Herausforderung für die öffentliche Verwaltung besteht darin, die nach innen gerichtete Perspektive auch in Richtung Bürger:innen und Unternehmen zu weiten und dabei die eigene Rolle inklusive der damit verbundenen klassischen Aufgaben, Pflichten und Standardprozeduren zu berücksichtigen.

Kurzum: Die öffentliche Verwaltung sollte als Enabler zur Stärkung der Digitalen Souveränität unterschiedlicher gesellschaftlicher Akteur:innen fungieren.

Warum betrachten wir das Thema im Zusammenhang mit Data Governance?

Wie oben erwähnt, verfolgen wir mit dem Handlungsfeld Digitale Souveränität einen ganzheitlichen Ansatz – wenn auch mit bewussten Schwerpunktsetzungen. Dabei wird deutlich, dass Abhängigkeiten von und zwischen weiteren Handlungsfeldern der Data Governance für unsere Stadt bestehen.

Das Handlungsfeld Digitale Souveränität wird anhand des Vorgehensmodells für die Entwicklung einer Data Governance mit konkreten Anwendungsfällen und Reifegradmodellen mit Leben gefüllt.

Das bedeutet, dass in anwendungsorientierten Use Cases (hier im weiteren Verlauf „Governance-Sektionen“) Digitale Souveränität einerseits zunächst ein Handlungsfeld neben anderen ist.

Andererseits hat Digitale Souveränität, anders als einige der Handlungsfelder (z.B. Metadaten und Stammdaten) einen Querschnittcharakter, der weit über einen einzelnen Betrachtungswinkel hinausweist. In einer Governance-Sektion werden datenbezogene und konkrete Herausforderungen aus den Fachbereichen anhand der verschiedenen Data Governance-Handlungsfeldern beleuchtet (näheres dazu folgt im Workshop). Dabei gibt es kein idealtypisches Vorgehen. Vielmehr werden zusammen mit den jeweiligen Stakeholdern in den Bereichen diejenigen Ausschnitte und Vertiefungen gewählt, die zum Erreichen von zuvor gemeinsam festgelegten Zielen notwendig und sinnvoll erscheinen.

Digitale Souveränität ist mehr als die Summe einzelner Teile

Besonders augenfällig ist der Zusammenhang von Digitaler Souveränität mit dem Handlungsfeld „Organisation, Rollen & Datenkompetenz“: Mit anfänglichen Defiziten, was beispielsweise die Datenintegration oder das Stammdatenmanagement angeht, kann eine Organisation dennoch grundsätzlich datensouverän sein und Digitale Souveränität anstreben. Ohne eine grundlegende Ausbildung von Datenkompetenz unter den Mitgliedern der Organisation ist eine Verbesserung in diesen Handlungsfeldern jedoch nicht möglich (vgl. dazu Punkt 7 „Digitale Kompetenzen fördern“ im 9-Punkte-Plan von Bundes-CIO Dr. Markus Richter im Zusammenhang mit den Punkten 1 „Datenpolitik wirksam gestalten“ und 8 „Digitale Souveränität Deutschlands und Europas sichern“). Digitale Souveränität ist insofern mehr als die Summe einzelner Teile. Die folgende, alternative Darstellung eines Hauses der Data Governance trägt dieser Erkenntnis Rechnung:

Abbildung 2: Data Governance Haus (eigene Darstellung)

Die hier gewählte Darstellung zielt weniger auf die Behauptung einer Hierarchie als auf eine logische Ordnung der Handlungsfelder. Diese ist nicht in Stein gemeißelt, sondern sie muss sich gegenüber der Entwicklung digitaler Technologien sowie gesellschaftlicher Strukturen und Bedürfnisse als anpassungsfähig erweisen. Es handelt sich im übertragenen Sinn also um ein Haus, an dem ständig gebaut wird. Zwar ist es nie fertig, aber es muss dennoch ständig bewohnbar sein. Politische Entscheidungsträger:innen und die öffentliche Verwaltung tragen dafür eine besondere Verantwortung. Zu fragen ist daher, wie die öffentliche Verwaltung ihrer Rolle als Rahmengeberin („Enabler“) in diesem für die Gesellschaft so wichtigen Feld gerecht werden, die Digitale Souveränität erhalten und strategisch erweitern kann (in Anlehnung an: Kar/Thapa 2020: Digitale Souveränität als strategische Autonomie).

Datensouveränität in die Praxis bringen!

Im Rahmen einer Data Governance für unsere Stadt haben wir ein Vorgehensmodell entwickelt, das eine bedarfsgerechte und praxisorientierte Umsetzung beinhaltet. Wie oben bereits beschrieben, arbeiten wir mit Governance-Sektionen, aus denen wir die Data Governance schrittweise und bedarfsgerecht ausgestalten. Für die Operationalisierung im Rahmen einer Governance-Sektion wenden wir eine Reifegradmessung an, bei der unterschiedliche Kriterien herangezogen werden.

Die Kriterien sind nicht starr und beziehen sich auf die jeweils konkrete Anforderung aus der Praxis (Governance-Sektionen). Wir haben uns in einem ersten Schritt für diese Kriterien entschieden, die je nach gesammelten Erfahrungen erweitert oder angepasst werden: (1) Daten (2) Quellcodes (3) Systemabhängigkeit (4) Kompetenzen (5) Offene Schnittstellen (vgl. „Digitale Souveränität und Künstliche Intelligenz – Voraussetzungen, Verantwortlichkeiten und Handlungsempfehlungen“, Digital Gipfel 2018). Für die Reifegradbestimmung wird zunächst ein Ist-Wert ermittelt, ein Zielwert definiert und individuelle Handlungsempfehlungen erarbeitet, um den Zielwert zu erreichen (eine Vertiefung hinsichtlich der genauen Ausgestaltung erfolgt im Workshop). Wir haben das Ziel, die jeweils bestehende Anforderung umzusetzen und darüber hinaus eine Blaupause zu generieren, die auf ähnlich gelagerte Fälle angewendet werden kann. Das ist unser Weg, auf dem Data Governance immer gehaltvoller wird und damit auch die Digitale Souveränität konkret ausgestaltet wird.

In den Austausch kommen!

Bezogen auf Digitale Souveränität hat das Team Urban Data Governance der Senatskanzlei Hamburg bereits Kriterien für eine Reifegradmessung aufgestellt und diese im Zusammenspiel mit externen Expert:innen bewertet/modifiziert. Diese werden im Workshop ebenso vorgestellt wie vorläufige Reifegradkriterien für Datensouveränität. Eine kritische Bewertung, Modifikation und gegebenenfalls Erweiterung letzterer steht im Vordergrund des angebotenen Workshops

Wir freuen uns auf die Impulse der Teilnehmenden!

Und dann?

Für uns ist das Ende des Workshops der Ausgangspunkt, um die Impulse in die bestehenden Überlegungen zu integrieren und diese weiterzuentwickeln. Wir verproben den Kriterien- und Maßnahmenkatalog in der Praxis, entwickeln ihn weiter und passen ihn an die gewonnen Erkenntnisse aus der Praxis an. Zudem werden wir konzeptionell die Verbindung zu weiteren Handlungsfeldern der Data Governance (vgl. Abbildung 1) konkretisieren und auf diese Weise die Ausgestaltung der öffentlichen Data Governance konkret voranbringen.


Titelbild: Katerwursty auf Pixabay