Der Digitale Bildungsraum: Wie bauen wir eine föderierte offene Bildungsinfrastruktur?

Hinweis: Dieser Beitrag wurde von den Referent:innen des Lightning Talks Der Digitale Bildungsraum: Wie bauen wir eine föderierte offene Bildungs-Infrastruktur ? verfasst. Sie können Sich hier zur PIAZZA-Konferenz anmelden.

Wir brauchen ein wirksames Bildungssystem, um individuelle Bildung und Teilhabe, Gemeinschaften und Zusammenhalt zu stärken und gesellschaftliche Herausforderungen zu bewältigen. Das Zusammenspiel zwischen analogen und digitalen Lern- und Lehrprozessen wird für alle Bereiche des Bildungswesens immer wichtiger. Wie die COVID19-Krise deutlich machte, geht es dabei jedoch nicht ausschließlich darum, alles neu zu erfinden, sondern auf Vorhandenem aufzubauen, existierende und gut nutzbare Werkzeuge und Praktiken innovativ zu verknüpfen, experimentell zu validieren und schnell in der Breite zugänglich zu machen. Wie das gelingen kann, ist eine gleichermaßen politische wie fachliche, didaktische und technische Fragestellung. Strukturwandel darf dabei kein Fremdwort sein.

Hier setzt das BMBF mit dem Entwicklungsvorhaben der Nationalen Bildungsplattform (NBP) an. Die Meta-Plattform soll die digitalen Bildungsangebote vernetzen, die bereits heute für verschiedene Zielgruppen im digitalen Raum existieren. Lernende finden von einzelnen Lerninhalten bis zu ganzen Bildungsgängen diverse Lernangebote, Lehrende können auf Lehrmaterialien und didaktische Szenarien zugreifen, und Institutionen stehen Werkzeuge für eine effizientere Verwaltung und Gestaltung von Lernprozessen zur Verfügung. Die Entwicklung der NBP soll einen besseren Zugang zu diesen Angeboten schaffen.

Vom Fördern zum Mitgestalten: Das BMBF übernimmt aktive Rolle für Digitalen Bildungsraum

Das BMBF zielt darauf ab, das Lernen zu verbessern und Chancen für alle zu eröffnen. Den integrativen und innovativen Charakter des digitalen Bildungsraums mit der nationalen Bildungsplattform soll bereits im Entwicklungsprozess zur Geltung gebracht werden:

Dabei möchte das Ministerium aus der klassischen Rolle des Förderers in die Rolle des Ko-Entwicklers von Standards und Architektur hineinwachsen. Das Ziel ist es, Sachverständige, Communitys und Innovationstreibende zu stärken und zu befähigen, den Digitalen Bildungsraum zu einem Erfolg zu machen.

Austausch und Vernetzung sollen im Mittelpunkt des iterativen Entwicklungsprozesses der NBP und des Bildungsraums stehen. Das Bundesministerium setzt im Sinne der Verwaltungstransformation auf ein Miteinander, also eine direkte Einbindung von Entwickelnden und Nutzenden und eine lebendige Auseinandersetzung mit dem Angebot. Geleitet von der Überzeugung, dass Akzeptanz und Erfolg von Bildungsplattform und Bildungsraum nur mit Vernetzung und Kooperation einhergehen, möchte das BMBF Communitys und Austauschforen zur inhaltlich-konzeptionellen Weiterentwicklung des Bildungsraums fördern.

Die Infrastruktur der Bildungsplattform soll daher auch offene Software nach der Definition der Open-Source-Initiative verwenden. Durch offene Standards und Schnittstellen sollen alle an dem System partizipieren können, ohne auf bestimmte Anbieter und Werkzeuge beschränkt zu sein. Die Standards sollen dabei nicht starr sein, sondern sich in einem Zusammenspiel von Standardisierungsgremien und Innovationstreibenden weiterentwickeln.

Die Wirkung des Vorhabens soll nicht nur abschließend, sondern auch begleitend evaluiert werden, um gegebenenfalls frühzeitig Korrekturen zu ermöglichen. Mit Hilfe eines agilen und flexiblen Evaluations- und Monitoringkonzepts möchte das BMBF wirkungsorientierte Qualitäts- und Bewertungskriterien an den Aufbau des Bildungsraums und die Entwicklung der NBP anlegen und bei allen beteiligten Akteur:innen ein gemeinsames Verständnis zu wirkungsorientierten Zielen erzeugen.

Prototypenförderung statt Wasserfall

Die Nationale Bildungsplattform soll das Werkzeug sein, das die nahtlose Navigation im Digitalen Bildungsraum ermöglicht. Sie soll als bundesweites und europäisch anschlussfähiges System Struktur und Übersichtlichkeit über die Bildungsangebote schaffen, diese zugänglich machen und so individuelle Lernpfade über die Bildungsbereiche hinweg abbilden.

Um den technischen und bildungspolitischen Ansprüchen gerecht zu werden, setzt das BMBF auf ein agiles Vorgehen und eine hohe Flexibilität in der Förderung. Die eigens eingerichtete Projektgruppe Digitaler Bildungsraum (PG DB) fungiert bildlich gesprochen durchaus als BMBF-internes Start-Up und koordiniert die Entwicklung innerhalb des Bildungsraums entlang der Bedarfe seiner Zielgruppen. In kürzeren Planungs- und Umsetzungsphasen (Sprints) sollen kontinuierlich Nutzendenanforderungen und -bedarfe erhoben, verstanden und bewertet werden. Das Vorgehen soll so durch die Projektgruppe auf Basis von User Storys angepasst und Entwicklungsschritte priorisiert werden.

Die Abkehr vom reinen Wasserfall-Modell in der Projektförderung zeigt sich auch darin, dass ein Wettbewerb ausgeschrieben wurde, um die besten Architekturen, übergreifenden Strukturen, Standards und Infrastrukturen zu identifizieren. Das Ministerium fördert so zunächst die Arbeiten zur Forschung und Entwicklung von initialen Versionen von vier Plattform-Prototypen und setzt dabei auf Interoperabilität und die Etablierung offener Schnittstellen:

Anfang April begann in diesem Zusammenhang ein durch die Universität Potsdam koordinierter Verbund mit der Entwicklung des Projekts „Bildungsraum Digital“, kurz BIRD. BIRD stellt den ersten der vier Prototypen der Bildungsplattform dar und ermöglicht das Testen von Strukturen für den Datenaustausch, die Interoperabilität von unterschiedlichen Plattformtypen und die Implementierung von Standards. Es dient somit als erster Referenz-Prototypen für ein technisches Rückgrat des digitalen Bildungsraums und ermöglicht die Integration von bestehenden Portallösungen und Lernangeboten und die Erprobung von technischen Möglichkeiten der nächsten Generation.

Zudem sollen inhaltliche Projekte gefördert werden, die lernpfadorientierte Lehr-/Lernangebote entwickeln und etablieren. Die Voraussetzung der Förderung dieser Vorhaben ist, dass diese Angebote bruchlos im digitalen Bildungsraum eingebunden und adressiert werden können. Das BMBF schlägt durch dieses Vorgehen einen Weg ein, der politische und sozio-technische Prozesse verschränkt.

Lernen von der (Civic-)Tech-Community

Der Digitale Bildungsraum selbst soll als lernendes System angelegt werden. Nutzung, Nutzendenzufriedenheit und Wirkung von Bildungsplattform und Bildungsraum sollen kontinuierlich anhand geeigneter Indikatoren gemessen werden. Die PG DB soll eine aktive und gestaltende Rolle in der Entwicklung einnehmen und sieht die Bildungsplattform nicht nur als Produkt, sondern auch als Entwicklungsprozess. Das BMBF wagt den Perspektivwechsel und ist offen dafür, den Handlungsansatz und Wirkungslogik des Bildungsraums kontinuierlich anzupassen.

Alle Bildungsakteur:innen sind dabei zur Teilnahme und Mitgestaltung am ko-kreativen und kooperativen bildungspolitischen Prozess und Entwicklungsvorhaben eingeladen. Bis zum Jahr 2025 soll ein für alle attraktiver digitaler Bildungsraum mit einer nationalen Bildungsplattform etabliert und zukunftsfähig betrieben sowie Weiterentwicklungsperspektiven und Wege zu deren Umsetzung aufgezeigt werden.

Das BMBF möchte sich in einen ständigen Austausch mit der (Civic-)Tech-Community begeben und freut sich über Ihre Perspektiven zum Beispiel zu folgenden Fragen:

  • Wie können wir eine digitale, nutzendenzentrierte Infrastruktur für das Bildungssystem bauen?
  • Wie können wir einen digitalen Bildungsraum etablieren, der dezentral organisiert ist und zugleich innovationstreibend?
  • Wie können wir von der Civic-Tech-Community lernen und diese einbeziehen?
  • Was können wir von Entwicklungsteams im Massenmarkt erfolgreicher Apps lernen?

Berichten Sie uns gerne von Ihren Erfahrungen via E-Mail an bildungsraum@vdivde-it.de. Dr. Andreas Sorge greift Ihre Perspektiven in seinem Talk “Der Digitale Bildungsraum: Wie bauen wir eine föderierte offene Bildungs-Infrastruktur?” gerne auf. Wir sind gespannt auf Ihre Praxisbeispiele und Meinungen!

Dieser Text entstand in Zusammenarbeit von PG DB und PT VDI-VDE IT (Ansprechpartner: Dominik Theis).

Funktionen der Nationalen Bildungsplattform

Die Nationale Bildungsplattform soll im Sinne des lebensbegleitenden Lernens eine bildungsbereichübergreifende Vernetzung von Lernangeboten und –möglichkeiten ermöglichen und die individuellen Lernpfade ins Zentrum stellen. Dabei wird auch die Kombination von formalen, nonformalem und informellen Lernen angestrebt.

Die NBP soll die Möglichkeit bieten, mit mittels föderierter Identitäten in Kombination mit Single-Sign-On auf Angebote von verschiedenen Anbietenden zuzugreifen und alle relevanten personenbezogenen Daten zentral und souverän zu verwalten (Data Wallet). Somit soll eine auf den Menschen zugeschnittene und gleichzeitig plattform- und institutionsunabhängige Meta-Plattform entstehen. Über Austauschformate und Feedbackmechanismen sollen sich die Nutzenden über die Qualität der Angebote austauschen und somit einen stetigen Verbesserungsprozess des digitalen Bildungsraums stimulieren können.

Daten wie Abschlüsse, Lern- oder Lehrpräferenzen und Lernaktivitätsdaten sollen in der Hoheit der Nutzenden liegen. Durch Datensouveränität sollen die Nutzenden selbst entscheiden, wie und wo Daten gespeichert und verarbeitet werden und wer auf diese Daten zugreifen darf. Daten sollen somit gezielt angeschlossenen Plattformen und Angeboten freigegeben werden können. Den angeschlossenen Angeboten soll somit eine bessere Ausrichtung und Optimierung an den Lernenden oder den Lehrenden ermöglicht werden.

Der Bildungsraum kann darüber hinaus Treiber einer verstärkten verantwortungsvollen Datennutzung und Datenbereitstellung werden und den Wandel zu einer Open-Data-Kultur fördern. Darüber hinaus soll die Auffindbarkeit, Verwendung, Verbreitung und Weiterentwicklung von Open Educational Resources (OER) unterstützt werden – ohne kommerzielle Angebote zu benachteiligen.

Für die Entwicklung der Plattform und den Aufbau des Digitalen Bildungsraums hat der Bund bis zum Jahr 2025 630 Mio. Euro aus dem Deutschen Resilienz- und Aufbauplan vorgesehen.


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