Dieser Beitrag fasst den Workshop „Öffentliche IT-Projekte besser steuern“ zusammen. In diesem standen öffentliche IT-Projekte und ihre Steuerung im Mittelpunkt. Ziel war es, Tipps und Empfehlungen aus der Praxis zu sammeln, zu strukturieren und zu bewerten, um diese in einen von den Moderatoren geplanten Leitfaden zur Thematik einfließen lassen zu können.
Frustmomente zum Aufwärmen
In einer Aufwärmrunde wurden von den Teilnehmenden zunächst mit Hilfe von virtuellen Post-It’s Frusterlebnisse bei der Entwicklung digitaler Lösungen in der öffentlichen Verwaltung gesammelt und in ein Koordinatensystem mit den Dimensionen „Erfahrung mit digitaler Produktentwicklung“ und „Wissen über Verwaltungsprozesse“ eingeordnet und anschließend vorgestellt. Hierbei entstand ein buntes Bild, wie die folgenden Zitate belegen:
- „Probleme und Risiken werden nicht offen kommuniziert. Mangelnder Fortschritt wird so lange wie möglich versteckt gehalten.“
- „Unkoordinierte, unreflektierte Beschaffung mit hohem ‚Verwaltungsaufwand‘“
- “Bureaucracy slow down (to zero)”
- „Unklare Zielvorstellungen + fehlendes Ressourcenbewusstsein“
- „Geht’s bei den Projekten noch um die Sache an sich, oder eher um Stellvertreter Themen“
- „Zu wenig digitales Fachpersonal in Verwaltung“
- „Extrem viel Dokumentation“
- „Kommunen zu Herausforderungen interviewt -> zu schwache Position ggü. Herstellern“
- „Proprietäre Lösungen aus dem Kämmerlein“
- „Zu viele Wünsche – ständige Änderungswünsche“
- „Fehlende Verantwortung, fehlendes Wissen über Entwicklung und Betrieb, fehlende Nachnutzung“
- „Fehlende Priorisierung & Ressourcen“
- „Informationssicherheit – Komplexität steigt / mangelnde Zeit.“
Digital vs. Verwaltung – Impuls „IT-Projekte besser steuern“
Nach der Aufwärmübung folgte dann ein kurzer Impuls der Moderatoren zur Workshop-Thematik. Hierbei wurde das Augenmerk auf die geringe Quote von weniger als 50% nach Plan verlaufenden öffentlichen IT-Projekten gerichtet und als ein Grund hierfür die Unterschiedlichkeit der zwei Welten Verwaltung, bei der Rechtssicherheit, Stabilität und Planbarkeit im Vordergrund stehen und Digitalisierung, für die Volatilität, Komplexität und Ungewissheit kennzeichnend sind, identifiziert. Als möglicher Weg zur Verbindung dieser Welten wurde ein agiles Vorgehen vorgeschlagen, wie das folgende Bild aus dem Impulsvortrag illustriert:
Als Vorbild des von den Moderatoren geplanten Leitfadens wurde ferner auf das Handbuch „De-risking custom technology projects“ [1] hingewiesen.
Kleingruppenarbeit
Zur Erarbeitung der Tipps aus der Praxis der Teilnehmenden wurden anschließend vier Kleingruppen gebildet und den folgenden Problemfeldern zugeordnet:
- Gruppe 1: Projekte definieren
- Gruppe 2: Prozesse und Dienstleistermanagement
- Gruppe 3: Wissensaufbau und -transfer
- Gruppe 4: Besser ausschreiben
Aufgabe jeder Kleingruppe war es, Handlungsempfehlungen zum jeweiligen Problemfeld zu formulieren, zu clustern und sich auf ein bis zwei „goldene Tipps“ zu einigen. Im Folgenden sind zunächst die (teils geclusterten) Handlungsempfehlungen jeder Gruppe dargestellt:
Goldene Tipps
Die Verdichtung der Handlungsempfehlungen führte zu den folgenden „goldenen Tipps“:
Gruppe | Goldener Tipp #1 | Goldener Tipp #2 |
Projekte definieren | Frühe Vorprojekte / Machbarkeitsstudien | Anforderungsmanagement & GPO |
Prozesse und Dienstleister-management | Die Verwaltung muss mehr Personen mit IT-Kenntnissen anstellen, die eine aktive Rolle bei digitalen Projekten spielen können. | Hospitation von Mitarbeitern der öV bei Dienstleistern zum Verständnis der Arbeitsweisen, Prozesse etc. Gemeinsames Verständnis aller Beteiligten einschließlich der Nutzer ist A und O. |
Wissensaufbau und -transfer | Richtet ein Wissenscenter ein – mit Ansprechpersonen, Unterlagen und Netzwerkformaten. Oder ein gemeinsames Intranet/Social Network | Von Anfang an auf Offenheit setzen (OERs, offene Lizenzen, Open Source und Dokumentation) |
Besser ausschreiben | Gute Zusammenarbeit intern (Einkauf, IT, Fachlichkeit) & Zentrale Ansprechperson, die die Anforderungen formuliert mit maximal Anzahl an Seiten, die Use-Case-getrieben ist & Bewertungsmatrix, damit klar ist, was Erfolgskriterien sind, welche Intentionen verfolgt werden. | Best Practices Register der alternativen Ausschreibungen |
Diskussion und Bewertung
Nach Abschluss der Kleingruppenarbeit stellte jede Gruppe ihre „goldenen Tipps“ in der großen Runde vor und zur Diskussion. Zudem erfolgte eine Bewertung der Tipps, indem jeder Tipp durch jeden Teilnehmenden jeweils durch einen Punkt in einem Koordinatensystem mit den Dimensionen „Umsetzbarkeit im Verwaltungskontext“ und „Hilfe zur Problemüberwindung“ verortet wurde. Die hierbei entstandenen Punktewolken vermitteln einen Eindruck, wie hilfreich und umsetzbar die Teilnehmenden die jeweiligen Tipps einschätzen.
Abschluss
In der Abschlussdiskussion wurde schließlich der Wunsch nach Erfahrungsaustausch zur Thematik (mehr Kanäle, mehr Plattformen, auch im informellen Rahmen) geäußert, auf die Problematik von Rahmenverträgen hingewiesen, die den Trend zu großen (oft denselben) Dienstleistern fördern und auf den Ansatz des wirkungsorientierten Handelns aufmerksam gemacht.
Titelbild: George Alfred Avison, gemeinfrei via Wikimedia Commons
Literatur
[1] R. Carnahan, R. Hart, W. Jaquith: De-risking custom technology projects – A handbook for state grantee budgeting and oversight, 18F, Technology Transformation Services, General Services Administration. August 5, 2019.
https://18f.gsa.gov/2019/08/05/budgeting-handbook/