Workshop-Rückblick: „How to Government as a Platform in Deutschland?“

Beitragsbild: „Candidplatz“ von Achim Lammerts unter CC BY-SA 2.0-Lizenz

Dieser Beitrag fasst den Workshop „How to Government as a Platform in Deutschland?“ zusammen. 

In dem Workshop „How to Government as a Platform in Deutschland?“, organisiert von Peter Kuhn (fortiss) und Efstratios Pahis (Student an der Technischen Universität München), fanden sich 19 Teilnehmer:innen aus der öffentlichen Verwaltung, Unternehmen und Wissenschaft ein, um sich über Aspekte im Schnittbereich von öV und dem aktuellen Buzzword-Thema „Plattform“ auszutauschen. Dies zeigt nicht nur das große Interesse an der Frage, ob und wie man den Plattform-Ansatz sinnvoll für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung nutzen kann, sondern auch die Bereitschaft aller Seiten, sich offen und aktiv mit der Thematik auseinanderzusetzen und sich gestaltend einzubringen. 

Der erste Impulsbeitrag der Workshop-Organisatoren betrachtete die Potenziale von Plattformen für die OZG-Umsetzung und verglich dafür die Herangehensweise Deutschlands mit der anderer Staaten, die als erfolgreich bei der eGovernment-Umsetzung angesehen werden. Dabei und bei der unmittelbar einsetzenden intensiven Diskussion wurden nicht erneut die „üblichen“ Schuldigen – also z. B. der Föderalismus und eine allgemeine Trägheit der deutschen Verwaltung – in den Vordergrund gestellt, sondern konkrete Ansatzpunkte thematisiert. So liegt der deutsche Fokus nicht nur nach Meinung der Organisatoren zu stark auf der Realisierung von Frontends für Bürger:innen und Unternehmen über Portale, statt – wie andernorts – sich auf gemeinsame zentrale Basiskomponenten sowie auf zentrale Fachverfahren und Register zu konzentrieren. Dies führt zu langsamem Fortschritt, einer unübersehbaren Zahl erforderlicher Schnittstellen bei gleichzeitigem Mangel verbindlich und konsequent eingesetzter Standards und in der Konsequenz zu Ineffizienz und absehbaren oder sogar bereits vorhandenen Problemen bei der Skalierbarkeit. Ein:e Teilnehmer:in brachte es so auf den Punkt: „Wir müssen digital denken statt nur zu digitalisieren!“ 

Während zur Forderung zentraler Fachverfahren und Register schnell Fragen bezüglich der Verfassungsmäßigkeit und der Effizienz aufgeworfen wurden, war man sich weitaus einiger dahingehend, dass es einer stärkeren Vereinheitlichung und mehr gemeinsamer Vorgaben bedarf. Auch so könnten weiterhin regionale Besonderheiten berücksichtigt und Wettbewerb und lokale Innovationen gefördert werden. Dazu wurde auch argumentiert, dass für Kommunen eine echte Dienstleisterauswahl möglich sein müsse. 

Die lebhafte Diskussion wurde durch den zweiten Impulsbeitrag noch stärker auf das Plattformthema fokussiert. Es zeigte sich, dass bereits der Begriff „Plattform“ ganz unterschiedliche Assoziationen weckt. Die Organisatoren stellten einen Ansatz vor, der sich auf vier Kernaspekte konzentriert: Architektur, Rollen, Prinzipien und Management der Plattform. 

Die Architektur sieht einen Plattformkern vor, der die auch im OZG-Kontext betrachteten Basiskomponenten sowie eine leistungsfähige Kommunikation umfasst. Um diesen herum würden sich die z. B. von den Kommunen, aber auch von Dritten entwickelten Onlinedienste als „Ökosystem“ gruppieren. Der Plattformkern solle von einem einzigen, staatlichen Platform Owner betrieben werden, der auch für die Bereitstellung der zugehörigen Komponenten sowie deren Aktualisierung, Ausbau und Verbesserung verantwortlich wäre. Neben dem Platform Owner sind als weitere Rollen die Komplementäre – als Bereitsteller der Onlinedienste – und die Nutzer vorgesehen. Wichtige Prinzipien für das Funktionieren eines solchen Ansatzes wären Offenheit, Partizipation und Ko-Kreation. Das Plattformmanagement wäre vor allem für die Ertüchtigung und Förderung zuständig, z. B. auch durch Bereitstellung eines „Baukastens“ für Onlinedienste. 

Die Diskussion des zweiten Impulses führte z. B. zu der Frage, ob es darum ginge, eine Plattform für Bürger:innen/Unternehmen oder für die Behörden untereinander zu schaffen, oder das Ziel eine einzige, gemeinsame Plattform für beide Zwecke sei. Außerdem wurde thematisiert, dass ein einziger Platform Owner eine starke Machtposition hätte und ob dies wünschenswert sei. 

Die vorgeschlagene Rollenverteilung machte besonders deutlich, was sich bereits in der Eingangsdiskussion herauskristallisiert hatte: Für das Funktionieren eines Plattformkonzeptes bedarf es einheitlicher Schnittstellen und (eingehaltener) Datenstandards. 

Im dritten Impuls zeigten die Organisatoren, dass sich die vorgeschlagene Architektur mit aktuellen Ansätzen und Entwicklungen, z. B. BundID, ePayBL oder FIT-Connect in Einklang bringen ließe, aber dabei (noch) kein einheitlicher Platform Owner bestünde. Als Schritte hin zur klareren Zuständigkeitszuweisung wurde vorgeschlagen, in einem OZG-Folgegesetz vom Begriff des Portalverbundes weg- und zum Begriff der „föderalen IT-Infrastruktur“ hinzukommen, für die es einen fachliche versierten, unabhängigen Gesamtverantwortlichen geben solle. Als naheliegender Gesamtverantwortlicher wurde die FITKO gesehen. 

Die Diskussion in Kleingruppen führte zu vielen konvergierenden Erkenntnissen bezüglich der Chancen und Herausforderungen einer solchen Herangehensweise. Es wurde herausgestellt, dass es nicht nur eines (formal) verantwortlichen Platform Owners bedarf, sondern vielmehr eines „Kümmerers“, der inhaltliche und kapazitive Weiterentwicklungsbedarfe identifiziert und nutzerorientiert vorantreibt. Auch wurde thematisiert, dass es bereits funktionierende Plattformen, z. B für einzelne Länder gibt, die – auch angesichts zeitlicher Perspektiven – an- und eingebunden werden sollten. Auch die Cybersicherheit müsse gerade bei Plattformen, von denen viele Dienste abhängig sind, besonders ernst genommen werden. 

Im anschließenden Abschlussplenum wurden die Teilnehmer nach der für sie wichtigsten Chance oder Herausforderung bzw. dem wichtigsten Lösungsvorschlag gefragt, die die vorausgegangenen Diskussionen hervorgebracht hatten. Hier wurden häufig Aspekte hervorgehoben, die von der „Stärke der Vielfalt“ ausgehen, so wurde Konkurrenz eher als herausfordernde Chance wahrgenommen und für die Beibehaltung von Vielfalt sowohl bei den Onlinediensten als auch im Backoffice (Fachverfahren) plädiert. Der FITKO wurde von mehreren Teilnehmer:innen noch nicht zugetraut, dass sie in ihrer derzeitigen Konstruktion und personellen wie finanziellen Ausstattung erfolgreich in die Rolle des Platform Owners hineinwachsen könne. Erneut wurde die Wichtigkeit von Standards hervorgehoben und in diesem Zusammenhang auch die Behäbigkeit von Fachverfahrensherstellern bei der Umsetzung von Standards kritisiert. 

Trotz allen Zeitdrucks durch Nutzererwartungen, die Erfolge anderer Staaten und gesetzliche Vorgaben wurde jedoch dafür plädiert, sich beim Aufbau von Government as a Platform die nötige Zeit zu nehmen, um zu zukunftsfähigen digitalen (und nicht nur digitalisierten) Lösungen zu gelangen.