Workshop-Rückblick: „Usability und User Experience im Rahmen der öffentlichen Vergabe“

Beitragsbild: Thomas Wolter auf Pixabay

Dieser Beitrag fasst den Workshop „Wenn aus Wünschen messbare Anforderungen werden: Wie lässt sich die Perspektive des Themenfeldes Usability und User Experience im Rahmen der öffentlichen Vergabe besser berücksichtigen?“ zusammen. 

Im Workshop „Wenn aus Wünschen messbare Anforderungen werden: Wie lässt sich die Perspektive des Themenfeldes Usability und User Experience im Rahmen der öffentlichen Vergabe besser berücksichtigen?“ diskutierten die Teilnehmer:innen mit den Referierenden Prof. Dr. Simon Nestler (TH Ingolstadt und Nestler UUX Consulting GmbH) und Julia Meisner (Gesellschaft für Informatik e.V.)  diverse Standpunkte zum Themenkomplex Softwareergonomie, User Experience & Usability (UUX) und Barrierefreiheit. Ziel des Workshops war es, zentrale Hürden einer menschenzentrierten Verwaltung herauszuarbeiten und die Frage zu klären, welche Schritte in der öffentlichen Verwaltung nötig sind, um die Professionalisierung des Themenkomplexes UUX voranzutreiben. 

Was ist der aktuelle Stand der Digitalisierung bei der deutschen Verwaltung? 

Im ersten Schritt haben die Teilnehmer:innen des Workshops ihre persönlichen Erfahrungen und Gedanken zusammengetragen und geclustert, um so ein breites Bild über den Stand der deutschen Verwaltung, ihrer Probleme und Potenziale zu erhalten. Hierbei wurde den Teilnehmer:innen deutlich, dass die Digitalisierung insgesamt sehr statisch verläuft und viele der Entscheidungsträger scheinbar nicht genug involviert und sensibilisiert für die Probleme des Themenkomplexes UUX sind. Es entsteht der Eindruck, dass Projektleiter:innen nicht mit dem nötigen Fachwissen ausgestattet werden, um zu einem guten Ergebnis gelangen zu können und wichtige Kernanforderungen in Bezug auf UUX viel zu spät in den Entwicklungsprozess und die Planung eingebunden werden. Das Dilemma hierbei scheint vor allem zu sein, dass es zwar einen Wunsch nach guter Software gibt, zur selben Zeit aber die finanziellen Mittel nicht immer vorhanden zu sein scheinen. Hieraus resultiert nach Ansicht der Workshop Teilnehmer:innen, dass zum Beispiel nur selten Tests mit Nutzer:innen durchgeführt werden, um Probleme von Software, Prozessen und Verfahren zu identifizieren und positive Effekte zu verifizieren. Und selbst wenn Tests und Gutachten durchgeführt werden, stehen anscheinend gar nicht die Erkenntnisse im Vordergrund. Bei den Teilnehmer:innen des Workshops entstand der Eindruck, dass es häufig das Ziel sei, gewisse Maßnahmen einfach durchzuführen, um sie durchgeführt zu haben.  

Die Digitalisierung wird hier zum Selbstzweck: Es entstehen primär „Dokumente für die Schublade“, statt konkrete Verbesserungen von Fachanwendungen.  

Welchen Lösungsansatz haben die Teilnehmer:innen des Workshops erarbeitet? 

Bei den Teilnehmer:innen des Workshops entstand in der Vergangenheit der Eindruck, dass die Themenbereiche Usability, User Experience und Barrierefreiheit mit dem Ausstellen eines Zertifikats abgeschlossen sind und nicht weiter verfolgt werden müssen – auch wenn eigentlich Verbesserungspotenzial besteht. Daher erfordert der Themenkomplex nach Ansicht der Teilnehmenden eine grundlegend neue Denkweise, welche von Anfang an die Ideen von guter Usability, User Experience und Barrierefreiheit etabliert und kontinuierlich verbessert. 

Bereits im Beschaffungsprozess sollten die Aspekte der Usability, User Experience und Barrierefreiheit berücksichtigt und in die Bewertung von Fachanwendungen mit einbezogen werden. Dienstleister, Hersteller und Kommunen sollten hier auf einer Augenhöhe miteinander kommunizieren können, um so zu einem optimalen Ergebnis zu gelangen, welches die Perspektiven aller Beteiligten berücksichtigt. Darüber hinaus forderten die Teilnehmenden eine Verbesserung bestehender Fachverfahren und Softwarelösungen, die  meist nur schwer zu ersetzen sind. 

Wichtig für die Professionalisierung der Prozesse erachten die Teilnehmenden, dass es konkrete Verantwortliche innerhalb der Kommunen gibt, die das nötige Fachwissen zur Leitung der Projekte haben. Diese könnten durch ihre Kompetenzen die Planungsprozesse standardisieren und den Fortschritt innerhalb der Kommunen vorantreiben. Zudem wurde  geäußert, dass das Schaffen von Verwaltungsstrukturen und das Klären von Zuständigkeiten innerhalb der Projektleitung einen positiven Effekt auf die Resultate haben könnte. 

Wie können neue Kompetenzen geschaffen und bestehende Ideen kommuniziert werden? 

Im zweiten Schritt haben sich die Teilnehmenden auf die Frage konzentriert, wie ein interkommunales Kompetenznetzwerk aussehen könnte und welche Maßnahmen hierfür nötig wären. 

Grundlegend für den Prozess der Vernetzung erwies sich schnell eine weitreichende Sensibilisierung und ein umfassender Kompetenzaufbau der einzelnen Akteure. Laut den Teilnehmenden ist es nötig, dass die Mitarbeiter:innen der Kommunen, Hersteller und Dienstleister neben der regulären Linienarbeit die Möglichkeit haben, sich fortzubilden und so das nötige Wissen zu erlangen. Ideen hierfür sind neben Schulungen und Daten noch Bootcamps und Wissensnetzwerke, in welchen die Teilnehmer:innen Ideen, Informationen und Best Practices austauschen können. Erst wenn die Priorität für gute Usability, User Experience und Barrierefreiheit in den Köpfen der Menschen verankert ist, kann diese auch in den Prozessen der Verwaltung etabliert werden. Diese neu erlangten Kompetenzen sollten dann in möglichst vielen – bestenfalls aber allen – Gremien vertreten sein, um diese als Multiplikatoren für Fachwissen zu nutzen. Durch einen solchen Zusammenschluss der Kommunen und Aufbau von Expertisepools lässt sich Fachwissen entsprechend effektiv verbreiten und effizient in der Projektplanung einsetzen. 

Aus Sicht der Teilnehmer:innen ist das Setzen von Standards und die Qualitätssicherung durch zentrale Einheiten ein weiterer wichtiger Lösungsansatz. Durch das Erstellen von kommunalen UX-Beratungen können vor Ort konkrete und spezifische Probleme bearbeitet und gelöst werden. Diese Beratungen können sich wiederum untereinander austauschen und Methoden entwickeln, die einen langfristigen Mehrwert für alle Kommunen schaffen. Durch das Erarbeiten solcher Methoden entsteht auch mehr Flexibilität und interkommunale Nutzung von Fachverfahren und Wissen, von welchem alle Seiten profitieren können. Gleichzeitig können hier auch Hersteller für besonders gute Usability, User Experience und Barrierefreiheit ausgezeichnet und dadurch dazu angespornt werden, entsprechendes Design zu fördern und bessere und innovative Lösungen für Fachverfahren zu entwickeln. 

Ausblick: Wie können wir Kommunen dazu bewegen, mehr über dieses Thema zu diskutieren? 

Abschließend  stellte sich den Teilnehmer:innen des Workshops die Frage, wie man die diskutierten Ideen und Probleme mit den Kommunen kommunizieren kann. 

Dabei war die erste Idee, dass man entsprechende Ideen auf Landesebene ansprechen und diskutieren kann, um dadurch möglichst viele Kommunen zu erreichen. Aber auch Informationskanäle wie zum Beispiel der „Behörden Spiegel“ oder Wissensnetzwerke können genutzt werden, um neue Ideen zu kommunizieren. Gleichzeitig sehen die Teilnehmenden Inno- und Digi-Hubs als eine sinnvolle Option, um neue innovative Ideen zu erarbeiten und zu diskutieren. Dadurch können neue Experimentierräume geschaffen werden, in welchen Projekte ohne konkret geklärte Rechtslage erforscht werden können.  

Schlussendlich sind die Teilnehmer:innen der Meinung, dass das Schaffen von etablierten Testpersonen-Pools ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung wäre. Dadurch könnten beteiligte Parteien effektiv in den Entwicklungsprozess eingebunden werden.