Workshop-Rückblick: „Wie können die Rückmeldemechanismen zu digitalen Barrieren erfolgreich umgesetzt werden?“

Beitragsbild: Universal Access-Symbol auf Smartphone.

Beitragsbild: „Digital Accessibility“ von Elisabeth Scherer für SeLL / HHU Düsseldorf unter der Creative Commons Attribution 2.0 International-Lizenz

Dieser Beitrag fasst den Workshop „Die Web Accessibility Directive der Europäischen Union – wie können die Rückmeldemechanismen zu bestehenden digitalen Barrieren erfolgreich umgesetzt werden?“ zusammen. 

Im Workshop „Die Web Accessibility Directive der Europäischen Union – wie können die Rückmeldemechanismen zu bestehenden digitalen Barrieren erfolgreich umgesetzt werden?“ (Referent:innen: Dr. Birgit Scheer vom Kompetenzzentrum Barrierefreiheit Volmarstein, Dr. Susanne Dirks und Lukas Baumann von der TU Dortmund) diskutierten rund 10 Teilnehmer:innen das Thema Rückmeldemechanismen zur Verbesserung digitaler Barrierefreiheit.  

Bisher wenige Barrieren gemeldet 

Zunächst wurden zwei Projekte vorgestellt – UPowerWAD und Teilhabe 4.0 – in denen verschiedene Tools zur Umsetzung eines barrierefreien Feedback-Mechanismus in Webseiten und Apps öffentlicher Stellen erarbeitet werden. Hintergrund der beiden Projekte ist die EU-Richtlinie über die Barrierefreiheit im Internet („Web Accessibility Directive“ – WAD), die seit Dezember 2016 in Kraft ist. Eine wichtige Säule der Richtlinie ist der Feedback-Mechanismus, mit dem Nutzer:innen Barrieren melden oder Informationen anfordern können, die nicht barrierefrei veröffentlicht werden. Laut dem ersten Bericht über WAD von Ende 2021 funktioniert der Rückmeldemechanismus nicht wie vorgesehen, da wenige Rückmeldungen erhalten wurden.  

Welche Unterstützung benötigen Anbieter? 

Anschließend an die Vorstellung der zwei Projekte wurde die Frage der Unterstützung von Anbietern in der Gruppe diskutiert. Schriftliche Rückmeldungen wurden generell für verbindlicher als mündliche Meldungen (z. B. per Videochat) gehalten. Da der Abbau von digitalen Barrieren einen breiteren Nutzen für die Bevölkerung hat, sollte der „Design für Alle“-Gedanke im Zusammenhang mit dem Feedback-Mechanismus stärker aufgegriffen werden.  

Entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung von Rückmeldemechanismen ist der interne Aufbau von strategischer Expertise bei Behörden durch die Anstellung vernetzter Expert:innen. Hier gibt es einen deutlichen Kontrast zur hohen Sensibilisierung für das Thema Datenschutz. Zudem gibt es redaktionelle Barrieren, die behoben werden müssen. Dafür muss die Zuständigkeit geklärt und Redakteur:innen qualifiziert werden. Allerdings gibt es auch technische Probleme mit Autorensystemen, die barrierefreie Lösungen nicht vorgeben. Es gab daher einen gewissen Konsens, dass der Druck auf Dienstleistern aufgebaut werden soll. Vor allem müssen die Nutzer:innen(-Gruppen) früher in den Entwicklungsprozess einbezogen werden.  

Ein weiterer Diskussionspunkt war die Stärkung der Vergabekriterien. Bei verbindlichen Forderungen nach Barrierefreiheit gibt es noch zu wenig (gute) Anbieter, daher wird diese häufig als Kann-Kriterium formuliert. Fortschritt ist zu erwarten, wenn es Unternehmen klar wird, dass sie mit der Barrierefreiheit Geld verdienen können. Zugleich wurde die Absicht dahinter, Informationen barrierefrei anbieten zu wollen, aus Nutzerperspektive hinterfragt.  

Sind Alternativen zum Mechanismus denkbar? 

Zusätzlich zum Mechanismus sollten interdisziplinäre Expert:innengruppen bei der Überprüfung von Webseiten unterstützen. Eine wesentliche Hürde zur Meldung von digitalen Barrieren ist der Mangel an technischem Wissen vieler Endnutzer:innen. Durch spezielle Schulungen können Nutzende ihre Kompetenz, Barrieren zu erkennen und zu melden, aufbauen. Darüber hinaus könnte die Einführung (kontinuierlicher) Zertifizierungen dazu beitragen, die Qualität zu verbessern und Motivation zu erzeugen. Obwohl die digitale Barrierefreiheit kein neues Thema ist gibt es noch zu viele „Verweigerer“ auf der Entwicklerseite: Zum Beispiel werden neue Apps eingeführt und erst nachträglich geprüft, ob sie barrierefrei sind. Wichtig ist auch, Bewusstsein und Interesse an Hochschulen zu schaffen, vor allem bei Studiengängen wie Medieninformatik.  

Verbesserung der Schulungsangebote  

Nach einer Vorstellung der laufenden Arbeit zum Modell-Lehrplan für Berufsbildungsanbieter, der aus der zweiten Phase des Projekts UPowerWAD entstehen soll, tauschten die Teilnehmer:innen ihre Erfahrungen mit Schulungen aus. Niederschwellige Formate für Coaching zum Melden von Barrieren, wie etwa einen virtuellen monatlichen Stammtisch, wurden dabei erwähnt.  

Eine „qualifizierte“ Barrieremeldung muss Angaben zum eigenen Nutzungsverhalten enthalten, wie Hilfsmitteln, OS und Endgerät. Zudem soll man die eigenen Schritte beim Auftreten der Barriere möglichst genau beschreiben, damit Entwickler:innen diese nachvollziehen können. Eine qualifizierte Meldung wird von einem strukturiertem Meldeformular unterstützt; eine Alternative wäre ein barrierefreier Chatbot. Der Unterschied, den eine positive Nutzererfahrung macht, soll den Behörden verdeutlicht werden. Zudem muss es klar sein, dass Feedback positive Konsequenzen für alle Beteiligten hat.  

Nur wenige Meldungen gehen aktuell weiter an die Schlichtungsstellen aber Erfahrungen mit dem Schlichtungsverfahren sind (aus Nutzersicht) bisher positiv gewesen. Es gibt allerdings unterschiedliche Verfahren und Fristen bei dem Bund und den Bundesländern. Gemeldete Barrieren sollten weiter auf Landes- bzw. Bundesebene gemeldet werden, um einen Überblick zentral zu erhalten. Hierfür sollten mehr finanzielle Mittel und besser ausgestattete Fachstellen den Ländern zur Verfügung gestellt werden (da diese schon überlastet sind).   

Zusammenfassung und Ausblick 

Aus der Diskussion wurde deutlich, dass bestehende Rückmeldemechanismen verbessert werden müssen, sowohl durch die Senkung der Hürden für Melder:innen als auch durch die  Verbesserung  der Bearbeitung auf Anbieterseite.  

In einer Abschlussdiskussion wurden die wichtigsten Erkenntnisse des Workshops gesammelt: 

Ausschnitt aus dem Conceptboard: Zusammenfassung & Ausblick mit fünf Sticky Notes:
1. Wie und was können wir von anderen Ländern lernen?
2. Positive Erlebnis hervorheben (z.B. gemeinsam Alternativtexte bei Instagram einstellen).
3. Das Thema in Lehrplänen an Schulen und Unis etablieren.
4. Nochmal verdeutlichen, wie man Barrieren im Meldeprozess abbauen kann.
5. Den Entscheider:innen klar machen, dass
Ausschnitt aus dem Conceptboard: Zusammenfassung & Ausblick    

Schließlich sollen Endnutzer:innen dadurch gestärkt werden, dass sie ihre Rechte einfordern und umsetzen können. Auf diese Weise kann die digitale Teilhabe verbessert werden.  

Weiterführende Links: 

  1. Projektseite UPowerWAD: https://upowerwad.fk13.tu-dortmund.de/  
  1. Projektseite Teilhabe 4.0: https://www.teilhabe40.de/  
  1. Toolbox des Projekts Teilhabe 4.0: https://toolbox.teilhabe4punkt0.de/