Eins nach dem anderem – oder besser: alles auf einmal? Impulse für eine Verschränkung von Gleichstellungs- und Digitalisierungsprozessen auf der Verwaltungsebene gesucht! 

Blogbeitrag zum Workshop „Eins nach dem anderem – alles auf einmal? Zu möglichen Synergieeffekten in der Umsetzung der gesellschaftlichen Großerwartungen Digitalisierung und Gleichstellung“ https://piazza-konferenz.de/die-workshops/2023_synergieeffekte/


An Verwaltungen werden zahlreiche gesellschaftliche Großerwartungen gerichtet. Gleichstellung und Digitalisierung zählen dabei zu den bedeutsamsten. Eine erwartbare Reaktion seitens der zur Umsetzung Aufgeforderten könnte lauten: „Eins nach dem anderen.“ Dem liegt ein Verständnis zugrunde, das besagt, dass Reformprozesse einzeln und nacheinander vollzogen werden sollten – nicht zuletzt, um die Umsetzungspläne und deren Verantwortliche nicht zu überfrachten. Wir gehen hingegen davon aus, dass die Umsetzung beider Erwartungen von einer gleichzeitigen und gemeinsamen Bearbeitung profitiert. Diesem Gedanken möchten wir gerne im Rahmen unseres Workshops bei der PIAZZA 2023 im Austausch mit Expert*innen aus Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wissenschaft nachgehen, ihn weiterentwickeln und konkretisieren.  

Erwartung meets Realität: Viel Luft nach oben bei der Umsetzung 

Sowohl Gleichstellung als auch Digitalisierung sind rechtlich verankert. Formal gesprochen muss sich Verwaltung nach diesen beiden Erwartungen richten. De facto aber ist die Umsetzung in beiden Fällen bislang unzureichend. Mit Blick auf die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung ist hier insbesondere an die Ende 2022 abgelaufene Frist des Onlinezugangsgesetzes (OZG) zu denken. Das Ziel, beinahe 600 Verwaltungsdienstleistungen zu digitalisieren, wurde weit verfehlt. Und auch im Bereich der Gleichstellung stellen, neben zahlreichen weiteren Studien, die Gleichstellungsberichte der Bundesregierung in regelmäßigen Abständen fest, dass hier noch viel zu tun ist. Im Kapitel „Zukunftsinvestitionen“ des Koalitionsvertrags der aktuellen Bundesregierung sind beide Aspekte, sowohl Gleichstellung als auch Digitalisierung, explizit genannt; in Bezug auf die Gleichstellung heißt es, sehr konkret: „Die Gleichstellung von Frauen und Männern muss in diesem Jahrzehnt erreicht werden.“  

Eine Frage der Kultur 

Wenn die Umsetzung von formalen Regeln oder Programmen nicht am politischen Willen scheitert, liegt, jenseits teilweise begrenzter Ressourcen oder Kompetenzen, eine anders ansetzende Erklärung nahe: Konzepte lassen sich nicht unmittelbar in die gewünschte Veränderung ummünzen. Dies wiederum hat viel damit zu tun, dass die bestehende Organisationskultur das Neue – hier: die Erwartungen von Digitalisierung und Gleichstellung – dem bereits Bestehenden anpasst und nicht umgekehrt. Die Verwaltungskultur, oft oberflächlich Bürokratie genannt, prägt Digitalisierungs- und Gleichstellungsprozesse. Zwar gilt, dass kulturelles Beharrungsvermögen besonders beständig ist, daraus ist aber nicht automatisch zu schließen, dass wir es mit einer Unveränderbarkeit zu tun haben, wie neuere Überlegungen zeigen. Eher sind unterschiedliche Ideen zu verzeichnen, wie starre Routinen, Denkmuster oder Praktiken aufgebrochen werden können. Für solche Konzepte interessiert sich dieser Workshop im Besonderen. 

Digitalisierung und Gleichstellung zusammendenken 

Es wird also gemeinhin nicht bestritten und ist politisch ausdrücklich gewollt, Gleichstellung und Digitalisierung prioritär zu behandeln. Bisher fehlt es aber an in der Breite an Impulsen, beides zusammenzudenken sowie an Ideen, wie beide Großerwartungen konkret aufeinander bezogen und umgesetzt werden können. Dies muss dazu in einer Weise passieren, die es Verwaltungsbeschäftigten erlaubt, die Vorgaben nachhaltig mit Leben zu füllen und in zu entwickelnde Routinen zu überführen.  

Grundlegend hat hierzu zuletzt der Dritte Gleichstellungsbericht der Bundesregierung unter dem Titel „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ mit seinen Handlungsempfehlungen Vorschläge unterbreitet. Dort findet sich u.a. die Aufforderung, Digitalisierungs- und Gleichstellungsstrategien besser miteinander zu verzahnen. Was aber bedeutet das „Zusammendenken“ für die konkrete Praxis auf der Verwaltungsebene, wo es gilt, sowohl Digitalisierung als auch Gleichstellung für die Bürger*innen umzusetzen? 

Wer, wie, was? Der Blick auf die Verwaltungsebene 

Wenn wir davon ausgehen, dass Digitalisierung und Gleichstellung zusammengedacht werden sollten und beide Prozesse zudem davon profitieren können, ist es zunächst wesentlich, alle daran Beteiligten zur Zusammenarbeit anzuregen. Dies erfordert konkrete Beteiligungsformate. Denn eine Veränderungs- und Entwicklungsbereitschaft, sowohl Digitalisierung als auch Gleichstellung betreffend, hängt entscheidend davon ab, ob im Ergebnis Verbesserungen erlebbar und nachhaltig erreicht werden. Kaum jemand dürfte sich gegen Partizipation aussprechen. Daraus allein folgt aber nicht, wer wie zu beteiligen ist. An Konzepten mangelt es weder auf politischer noch auf wissenschaftlicher Ebene, denken wir nur an die agile oder die datengetriebene Verwaltung, zum Klassiker ist bereits das Bild der „flachen Hierarchie“ geworden. Wie aber kann aus geduldigem Papier ein langfristiger Wandel konkreter Praxen werden? 

Wie kann also konkret auf der Verwaltungsebene Beteiligung und fachlicher Austausch zwischen Expert*innen und Akteur*innen im Bereich Gleichstellung/Antidiskriminierung einerseits sowie Fachleuten aus dem Bereich IT andererseits gestaltet und gefördert werden? Welche Formate sind hilfreich, um ein oft zunächst einmal basal herzustellendes gegenseitiges „Verstehen“ der jeweiligen Anliegen im Kontext von Digitalisierung und Gleichstellung/Diversity herzustellen? Welche „Übersetzungs-Tools“ braucht es dazu ggf.? Wie kann in Verwaltungsentwicklungsprozessen ein übergreifendes Verständnis von geteilten Zielen erreicht werden, und zwar bezogen auf Fortschritte in beiden Feldern – Gleichstellung und Digitalisierung? 

Dem Workshop soll es um einen Austausch zu unterschiedlichen Beteiligungsformaten gehen, denen gemein ist, Gleichstellung und Digitalisierung gemeinsam zu denken. Dieser Austausch kann dann die Grundlage weiterer Kooperation, insb. zu konkreten Instrumenten oder Verfahren sein. Wir sind neugierig auf vielfältige Ideen hierzu und auf den Austausch zu bereits bestehenden Instrumenten, Verfahrensweisen und Prozessmodellen. Darüber hinaus freuen wir uns, wenn der geplante Workshop zum Startpunkt für weitere, hierauf aufbauende Kooperationen wird. 


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