Digitalisierungsprojekte – Herausforderungen und Hürden in der Praxis meistern

Die Digitalisierung von Organisationen ist kein Selbstläufer. Das gilt sowohl für die freie Wirtschaft als auch für Institutionen des öffentlichen Sektors. So zeigen Langezeitstudien des Chaos-Reports der Standish Group, dass lediglich 29 % aller IT-Projekte erfolgreich abgeschlossen werden. Weiterhin können mehr als die Hälfte der Projekte nur durch gravierende Erhöhungen des zur Verfügung stehenden Zeit- bzw. Geldrahmens beendet werden und erfüllen die Wünsche und Anforderungen der Auftraggeber dabei nur begrenzt. Fast 20 % aller IT-Projekte scheitern sogar gänzlich (vgl. Standish Group, 2015). 

Die Gründe für das Scheitern sind hierbei so vielfältig wie die Digitalisierungsprojekte selbst. Es wird schnell klar, dass es für ihre erfolgreiche Umsetzung unerlässlich ist, die Digitalisierung als ganzheitlichen Prozess zu verstehen, bei dem agil auf Herausforderungen reagiert werden muss. Ziel dieses Workshops war es daher eben jene Herausforderungen und Hürden zu identifizieren und Handlungsempfehlungen zu entwickeln, die zu Ihrer erfolgreichen Überwindung beitragen können. Diese Problemstellung wurde im Rahmen der PIAZZA-Konferenz 2023 von neun Teilnehmer*innen aus der Verwaltungspraxis unter der Moderation von Dr. Claudia Rodat vom Bundesamt für Strahlenschutz diskutiert.  

Bedeutung der Digitalisierung für die Öffentliche Verwaltung 

Nach einer kurzen Vorstellungsrunde erläuterten die Teilnehmenden als Aufwärmübung zunächst die Ziele und Zwecke der Digitalisierung, die sie als am wichtigsten erachten. Hierbei verspricht die erfolgreiche Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung massive Effizienzgewinne, da sie zu einer Verschlankung, Modernisierung und Optimierung bestehender Arbeitsabläufe beiträgt.  Weiterhin ermöglicht eine optimierte Daten- und Informationsbereitstellung nicht nur die zielorientierte Steuerung von Prozessen, sondern auch eine Ableitung von konkreten Handlungs- und Verbesserungsbedarfen. Diese Effizienzgewinne können maßgeblich dazu beitragen, die öffentliche Verwaltung zugänglicher, bürger*innenfreundlicher und barrierefreier zu gestalten und tragen weiterhin zu einer erhöhten Transparenz von Verwaltungsakten bei.    

Digitalisierungsprojekte und Handlungsebenen 

Nach der Aufwärmrunde wurde die Teilnehmenden von der Moderatorin ein beispielhaftes Digitalisierungsprojekt, nämlich die Digitalisierung eines Fachprozesses (von Excel zur Fachanwendung), als Impuls vorgestellt und mit potentiellen Herausforderungen, wie beispielsweise veränderte fachliche Anforderungen oder Nachforderungen durch Datenschutzbeauftragte, ergänzt, die den Erfolg des Projektes nachhaltig gefährden. Dieses Beispiel soll veranschaulichen, wie Herausforderungen für Digitalisierungsprojekte ganzheitlich betrachtet werden können. Der analytische Rahmen ist hierbei an die Methode des „End-to-End“-Prozesses angelehnt, welcher aus der Softwareentwicklung stammt und den Lebenszyklus von Software von der Konzeption, über die erfolgreiche Implementation im Regelbetrieb bis zur deren Weiterentwicklung bzw. Nachnutzung begleitet.  

Im Rahmen der „End-to-End“-Betrachtung durchlaufen alle Digitalisierungsprojekte sechs verschiedene Handlungsebenen, beginnend mit den Ebenen Strategie und der Konzeption, welche zunächst die hausinterne Digitalisierungsstrategie festlegen und danach ihre praktische Umsetzung planen und koordinieren. Die Handlungsebene des Projektmanagements begleitet die einzelnen Softwareprodukte bis zu ihrer erfolgreichen Implementierung im Regelbetrieb, während das Prozessmanagement Sinn und Zweck von Prozessschritten überprüft, neue Prozesse modelliert und Bereiche für Effizienzsteigerungen vorstellt. Die Handlungsebene der Beschaffung gewährleistet durch Ausschreibungen und technische Bestimmungen, dass die in Strategie und Konzeption festgelegten Ziele eingehalten werden. Letztlich garantiert der Betrieb die fachliche und technische Betreuung aller Anwendungen und etabliert durch Evaluationen eine Feedbackschleife zur Konzeptionsphase. 

Arbeitsphase 1 

Kennzeichnend für die „End-to-End“-Betrachtung ist es, dass ein Digitalisierungsprojekt alle sechs Handlungsebenen durchläuft und sich dort jeweils mit verschiedensten Hindernissen konfrontiert sieht, deren Konsequenzen sich manchmal erst in späteren Ebenen wirklich bemerkbar machen. Die Kleingruppenarbeit in der ersten Arbeitsphase bestand demnach daraus, potentielle Herausforderungen zu konkretisieren, die in den Handlungsebenen Projekt– bzw. Prozessmanagement, Beschaffung und Betrieb auftreten können, sowie Lösungsvorschläge für diese Hürden zu entwickeln. Die Ergebnisse der Kleingruppen wurden dann im Plenum diskutiert, um besonders auffällige Herausforderungen zu identifizieren. 

Hinsichtlich des Projektmanagements sehen die Teilnehmenden eine nicht ausreichende inhaltliche bzw. fachliche Vorbereitung als gravierendste Herausforderung an. So können insbesondere das Fehlen einer konkreten Zieldefinition und eines detaillierten Projektplans dazu führen, dass der Fokus auf Aspekte gelegt wird, die für den Projekterfolg nicht relevant sind und gleichzeitig zu undurchsichtigen Zuständigkeiten und Entscheidungsspielräumen führen. Um dies zu vermeiden ist für die Teilnehmer*innen die Ausarbeitung eines sauberen, schlüssigen und abgestimmten Projektplans unabdinglich. Auf der Handlungsebene des Prozessmanagements stellt eine mangelndes oder uneinheitliches Prozessverständnis die größte Hürde dar. Die Teilnehmer heben hierbei die Notwendigkeit hervor, die Prozessbeschreibungen und -modellierungen regelmäßig zu aktualisieren und diese Änderungen an alle Stakeholder zu kommunizieren. Hinsichtlich der Beschaffung nehmen die Teilnehmenden mangelnde finanzielle bzw. personelle Ressourcen und IT-Kompetenzen als größte Hürde für den Projekterfolg wahr. Um dieses Hindernis zu umgehen sollten daher zusätzliche finanzielle Mittel für die Beauftragung externer Hilfen bereitgestellt werden. Als größte Herausforderung für den erfolgreichen Betrieb der einzuführenden digitalen Lösungen halten die Teilnehmenden die mangelhafte Kommunikation von Prozessänderungen und die fehlende Einbindung der Mitarbeitenden fest. Um die erfolgreiche Implementation von Digitalisierungsprojekten zu gewährleisten, betonen die Teilnehmer*innen daher die Einbindung der Mitarbeitenden in der Konzeptionsphase sowie umfangreiche Einführung und Schulungen bei der Inbetriebnahme.  

Arbeitsphase 2 

Abbildung 1: Herausforderungen und Lösungsansätze auf Strategieebene
Abbildung 2 Herausforderungen und Lösungen auf Konzeptionsebene 

Im Zuge der zweiten Arbeitsphase sammelten die Teilnehmer*innen die größten Hürden, die den Erfolg von Digitalisierungsprojekten bereits während der Entwicklung einer übergreifenden Strategie und der Konzeption ihrer Umsetzung gefährden könnten. Danach wurden auch hier im Plenum die gravierendsten Herausforderungen identifiziert und zu priorisierende Lösungsvorschläge entwickelt. 

Die Handlungsebene der Strategie ist dafür verantwortlich, eine organisationsübergreifende Richtschnur zu entwickeln. Die Digitalisierungsstrategie einer Kommune oder Behörde enthält demnach meist mehrere Digitalisierungsprojekte. Hier berichten die Teilnehmenden, dass insbesondere in der in der öffentlichen Verwaltung eine Diskrepanz zwischen den an kontinuierlichen Zeitplänen und Visionen orientierten IT-Prozessen und der sonst stark ergebnisorientierten Verwaltungsprozessen vorherrscht. Dies kann dazu führen, dass Digitalisierungsstrategien nicht handlungsleitend formuliert sind und so eine Entscheidungsfindung unmöglich machen. Um dies zu vermeiden betonen die Teilnehmenden die Wichtigkeit eines Kommunikationsplans, welcher festlegt, wie wichtige Informationen im Laufe des Projekts an die Stakeholder übermittelt werden sollen.   Dieser Plan sollte so formuliert sein, dass konkrete Handlungsbedarfe aus der Strategie abgeleitet werden können. Als besonders gelungenes Beispiel wird hier die Digitalisierungsstrategie der Stadt München (https://muenchen.digital/strategie.html) genannt. 

Doch auch in der Konzeptionsphase können Hindernisse auftreten, die den Projekterfolg nachhaltig beeinträchtigen. In dieser Phase werden konkrete Digitalisierungsprojekte aus der übergreifenden Strategie abgeleitet, für welche konkrete Standards entwickelt werden müssen. Hierbei entsteht oft die Herausforderungen, dass innerhalb einer Organisation mehrere Digitalstrategien, beispielsweise für Cloud-Computing und Open Source implementiert werden müssen. Dies kann dazu führen, dass nur wenige Angestellte den Überblick haben, was genau hinter den jeweiligen Strategien steckt. Weiterhin kann es vorkommen, dass sich die Anforderungen verschiedener Strategien widersprechen, was eine erfolgreiche Konzeption eines Digitalisierungsprojekts nachhaltig erschwert. Die Teilnehmenden plädieren daher für die Etablierung eines Vorgremiums, welches die Anforderungen aller Digitalstrategien kategorisiert, prüft und bewertet. Basierend auf dieser Evaluation kann dann eine Priorisierung der verschiedenen Anforderungen entwickelt werden. Auch hier ist die Entwicklung eines Kommunikationsplans essentiell, welcher auch intern über die strategische Neuausrichtung informiert und die Mitarbeitenden dazu bewegt, sich aktiv an der Digitalisierung zu beteiligen, 

Fazit und Diskussion 

In der letzten Phase des Workshops arbeiteten die Teilnehmer*innen die acht wichtigsten Maßnahmen für den Erfolg eines Digitalisierungsprojektes heraus: 

  1. Kick-Off-Veranstaltung mit allen potentiellen Stakeholdern 
  2. Verwenden von Projektmanagement-Tools/Software, um beispielsweise die Nachverfolgung von Aufgaben zu gewährleisten 
  3. Mitarbeiter*innen über das Projekt aufklären und Gesprächsbereitschaft signalisieren 
  4. Strategie stets in konkrete Maßnahmen umwandeln 
  5. Vorherige Anwendungsfälle recherchieren & Rücksprache mit den zuständigen Projektleitern halten, um so Expert*innenwissen zu empfangen 
  6. Hausinterne Kooperation und TEAMS für Prozessmanagement: 
    • Wissensvermittlung (z. B. Digitale Agenda mit Kernthemen, freigegebene Tools im Intranet, Schulungen) 
    • Regelmäßiger Austausch (z. B. 4-Wochen Sprints, Workshops) 
    • Festlegen von Verantwortung durch Prozesszuordnung 
    • Vorgehen (z. B. Liste, Priorisierungen, Entwicklungsstufen) 
    • Plattform für alle Prozessteilnehmenden (Fertige Prozesse mit Kollaborationsplattform) 
  7. Betreuungs- und Beratungsangebot von Projekterfahrenen und -beteiligten in Anspruch nehmen 
  8. Projektleitfaden mit eindeutigen Vorlagen und Projektauftrag entwickeln (Basierend auf einer Prozessanalyse und Interviews) 

Zuletzt tauschten die Teilnehmenden in einer Abschlussdiskussion Erfahrungen aus, die sie in der Verwaltungspraxis gesammelt haben. Sie betonen hierbei, dass es für die erfolgreiche Implementierung von Digitalisierungsprojekten essentiell ist, dass alle Stakeholder lernen, die eigene Brille abzuziehen und sich in andere hineinzuversetzen. Hierfür erscheint eine Kombination aus Fach- und IT-Wissen innerhalb des Projektleitungsteams ideal. Am Ende des Workshops plädieren alle Teilnehmenden für einen regelmäßigeren Erfahrungsaustausch zur Implementierung von Digitalisierungsprojekten, insbesondere auch zwischen verschiedenen Verwaltungsorganen.  

Quellen 

Stadt München: Digitalisierungsstrategie für München. Im Internet: https://muenchen.digital/strategie.html, zuletzt aufgerufen am 10.01.2024 

The Standish Group (2015): CHAOS Report 2015. Boston: The Standish Group International, Inc. 


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