Workshop-Rückblick: „Digitale Datenaustauschverfahren & „Once-Only“ mit mehr Leben füllen“

Dieser Beitrag fasst den Workshop „Digitale Datenaustauschverfahren & »Once Only« mit mehr Leben füllen“ zusammen.

Im Workshop „Digitale Datenaustauschverfahren & Once Only mit mehr Leben füllen“ (Referent:innen: Kathleen Jennrich vom Nationalen Normenkontrollrat und Simon Hunt vom Kompetenzzentrum Öffentliche IT) diskutierten rund 15 Teilnehmer:innen über nutzerorientierte Angebote der Verwaltung für Bürger:innen und Unternehmen und die Nachnutzung vorhandener Daten. Zunächst stellte Kathleen Jennrich in einem Impuls die wesentlichen Herausforderungen beim Datenaustausch zwischen dezentralen Registern und verschiedenen Fachverfahren vor. Grundsätzlich sind dafür kompatible Datenstrukturen bei den verschiedenen Behörden notwendig. Anhand von konkreten Beispielen wird schnell klar, dass in der Praxis vor allem die inhaltliche Passgenauigkeit und uneinheitliche Rechtsbegriffe die wesentlichen Herausforderungen darstellen. In verschiedenen Fachverfahren werden ganz unterschiedliche Begriffsdefinitionen (beispielsweise für „Kind“) genutzt oder es fallen zeitliche Bezugspunkte auseinander (beispielsweise „Tag der Geburt“ gegenüber „Anfang des Monats“).

Mehr Informationen zu den in diesem Impuls beschriebenen Herausforderungen und Lösungsansätzen finden sich im Blogbeitrag „Daten nur einmal bei den Behörden angeben – Bleibt es nur ein Wunsch?“ von der Moderatorin des Workshops oder direkt im NKR-Gutachten „Digitale Verwaltung braucht digitaltaugliches Recht – Der modulare Einkommensbegriff“ bzw. dessen Begleitmaterial.

Im Workshop wurden, anschließend an den Impuls, zwei Aspekte in zunächst getrennten Gruppen diskutiert: die allgemeinen Herausforderungen mit daraus folgenden Handlungsoptionen sowie konkrete technische und organisatorische Aspekte. Die Diskussionen in beiden Gruppen und die abschließende gemeinsame Diskussion offenbarte vor allem den Umfang der zugrunde liegenden Aufgaben.

Die Nutzung von Daten in der öffentlichen Verwaltung

Ein Themenkomplex der Diskussionen, in der die organisatorische Komplexität der Aufgabe besonders sichtbar wurde, war die „Detailverliebtheit der Verwaltung“. Aus den Anforderungen der einzelnen Teile der Verwaltung gehen ja nicht nur die oben geschilderten unterschiedlichen Rechtsbegriffe und Datensätze hervor, sondern es kommt zu ganz praktischen Problemen, mit hohem Potential für eine Komplexitätsfalle: Wie kann die Koordination gelingen, wenn von Fachverfahren einer Behörde Daten in einer Granularität erwartet werden, die von der erhebenden Stelle so nicht beigebracht werden? Erhebt eine Behörde „weil man es kann“ und „once only“ entsprechend dem höchsten Bedarf im Datenverbund? Und was passiert, wenn sich die Anforderungen an die Daten bei einer nachnutzenden Instanz ändern? Hier scheint ein (zumindest teilweiser) Überblick über Fachverfahren und die Verwaltungsinstanzen mit den „besten Daten“ ein erster Ansatz, auch für die erforderliche Standardisierung von Daten, zu sein. Hinzu kommt eine Betrachtung des „Life Cycles“ von Daten und Prozessen.

Auch wurde die Frage diskutiert, ob vorhandene Verfahren geeignet sind, um darauf aufzubauen oder ob es nicht ganz neuer Ansätze bedarf. Eine noch zu überwindende Hürde stellt auch das „Einbahnstraßen-Denken“ der Verwaltung dar, wobei von vorhandenen Kommunikationsbeziehungen (und daraus folgend auch technischen Schnittstellen) ausgegangen wird. Dabei ist das Muster grundsätzlich „Antrag und Reaktion auf Antrag“ – ein proaktives Handeln lässt sich damit nur schwer verankern. Eine Möglichkeit zur Schaffung neuer Plattformen für die Verwaltung ist der Aufbau paralleler Strukturen aus „alter und neuer Welt“, mit einer schrittweisen Migration. Dafür ist allerdings eine gemeinsame Vision wichtig.

Hinterfragt wurde auch das Once-Only-Narrativ: „Die Daten sollen laufen, nicht die Bürger:innen“. Konzeptuell sollte klar sein, dass die Daten nur an einer Stelle vorgehalten und anschließend referenziert werden. In der Industrie ist in diesem Zusammenhang das Bild bzw. Konzept des „Digitalen Zwillings“ entwickelt worden. Vereinfacht dargestellt wird dabei ein reales Objekt in der digitalen Welt so repräsentiert, dass wesentliche Eigenschaften des Objekts als Daten gespeichert bzw. sogar in Form von Modellen für weitreichende Interaktionen zur Verfügung stehen, bspw. für Simulationen oder der autonomen Nutzung von Diensten. Diese Beschreibung verweist schon darauf, dass dieses Konzept sich zunächst und unmittelbar für bestimmte Bereiche von Verwaltungshandeln eignet, beispielsweise die raumbezogenen Vorgänge.

Die Rolle der Kommunen

Zur Auswahl möglicher Anwendungsgebiete und dem grundsätzlichen Vorgehen wurde die Diskussion teilweise auch emotional. Die Themengebiete „Föderalismus“ und „OZG“ bewegen die Praktiker:innen weiter stark, sodass sich für bestehende wie auch neue Digitalisierungsvorhaben die Frage stellt, „wie man es schaffen soll“. Dazu passt auch das Gefühl, dass einerseits „viel bei den Kommunen abgeladen wird“, andererseits Kommunen „schon kleinste Anforderungen nicht schaffen werden“. Eine allgemeine Beobachtung zum derzeit üblichen Digitalisierungsvorgehen der Verwaltung war, dass „wir uns die schwersten Fälle raussuchen“. Dabei sollte das Kriterium doch sein, an Bereichen zu arbeiten, wo der größte Nutzen für die Bürger:innen entsteht, im Hinblick auf Vereinfachung und Komfort. Denn insbesondere bei diesen Kriterien konkurriert die Verwaltung mit den großen kommerziellen Plattformen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass zu Datenaustausch-Prozessen in der öffentlichen Verwaltung eine Reihe von detaillierten und durchdachten Ansätzen bekannt sind, die aber insbesondere aufgrund des komplexen Zusammenspiels innerhalb der Verwaltungsgliederung Deutschlands noch zu einem Gesamtkonzept verbunden werden müssen. Die heterogene Zusammensetzung der Teilnehmer:innen dieses Workshops der Piazza-Konferenz 2021 machte im Rahmen der knappen Zeit die Vielfalt der Perspektiven auf die Themen Datenaustausch und Once Only deutlich. Die Teilnehmer:innen trugen dabei ganz unterschiedliche Aufgaben und Herausforderungen zusammen. Der Workshop konnte mit vielen Impulsen und seiner offenen Diskussion dazu beitragen, ein umfassendes Bild der Herausforderungen zu schaffen. Vor einer konkreten Roadmap zur Einführung dieser neuen Prinzipien braucht es weitere Diskussionen über grundlegende Prinzipien der Zusammenarbeit innerhalb der Verwaltung und den Folgen daraus für die grundsätzliche organisatorische und technische Architektur. Grundsätzlich scheinen aber durchaus vielversprechende Konzepte und Bausteine zur Verfügung zu stehen, um die Herausforderungen der konkreten Umsetzung zu meistern.


Titelbild: roma1880 | Pixabay